»Was wäre, wenn es Enja nicht mehr gäbe?« So fragte das dankbare Jazz Podium schon 1977. Denn das Label Enja war nach nur sechs Jahren seines Bestehens kaum mehr von der Jazzszene wegzudenken. In einer Zeit, als die großen Plattenfirmen das Interesse am Jazz verloren hatten, dokumentierte die Münchner Firma mutig den aktuellen, jungen Jazz im Spannungsfeld zwischen Mainstream und Avantgarde.
Begonnen hat alles im Sommer 1971: Da beschlossen zwei deutsche Jazzfans, Matthias Winckelmann und Horst Weber, live im Münchner Jazzklub Domicile die eigenwillige Musik des US-Pianisten Mal Waldron aufzuzeichnen. Dieser Plattenproduktion folgte bald eine Zweite, eine Dritte, eine Vierte: Das Domicile, damals einer der führenden Jazzklubs in Europa, bot beste Gelegenheiten, US-Musiker auf Tournee aufzunehmen, etwa Pepper Adams oder Charles Tolliver. Andere wie Archie Shepp und Cecil Taylor konnten auf europäischen Festivals festgehalten werden. Seine historische Tiefe bekam der junge Labelkatalog durch Mitschnitte aus den Sechzigern, darunter Aufnahmen von Ben Webster, Charles Mingus und Eric Dolphy.
Schnell wurde Enja Records eine erste Adresse auf der lebendigen Szene und das Produzieren in New York, der Hauptstadt des Jazz, zur Selbstverständlichkeit. Matthias Winckelmann nahm Jazzgrößen wie Tommy Flanagan, Freddie Hubbard, Abbey Lincoln, Ray Anderson, Kenny Barron, Arthur Blythe und viele andere große Namen für Enja unter Vertrag. John Scofield machte für das Label seine erste, Chet Baker seine letzte Platte.
Mit dem südafrikanischen Pianisten Abdullah Ibrahim (Dollar Brand) setzte Enja schon in den Siebzigern ein Signal zur Öffnung des Jazz Richtung Weltmusik. Ein klares Bekenntnis zur »globalen Musik« war im Jahr 1990 die Verpflichtung des libanesischen Oud-Spielers und Komponisten Rabih Abou-Khalil, der seitdem nicht weniger als 15 preisgekrönte Alben auf Enja veröffentlicht hat und zu einer Galionsfigur der World-Jazz-Bewegung wurde. Weitere eigenständige Musiker haben das World-Jazz-Image des Labels weltweit befestigt, darunter Renaud Garcia-Fons (Frankreich/Spanien), Ferenc Snétberger (Ungarn), Roberto Fonseca (Kuba), Dhafer Youssef (Tunesien), Gilad Atzmon (Israel), Mahmoud Turkmani (Libanon), Taner Akyol (Türkei).
Über die Jahre hat Enja sein Labelprofil immer mehr erweitert, ohne seinen amerikanischen Jazzwurzeln untreu zu werden. Legendäre Jazzgrößen wie Charlie Mariano, Lee Konitz oder Dusko Goykovich sind auf Enja aktuell genauso zu Hause wie zahlreiche vielversprechende Nachwuchsmusiker. Gleichzeitig erweckt die
24 Bit Master Edition die Enja-Klassiker der siebziger und achtziger Jahre in zeitgemäßem Sound zu neuem Leben.
Yellowbird Records wurde 2008 vom Labelmanager Werner Aldinger als Sublabel ins Leben gerufen. Hier findet sich Musik abseits der gewohnten Enja-Pfade, von Marc Ribots kraftvollem Punk Jazz bis zur erotischen Exotik des Japaners Jun Miyake. Yellowbird bietet Musik für Enthusiasten mit wachen Ohren.