Ermanno Wolf-Ferrari: Klavierquintett Des-Dur op.6 auf CD

Ermanno Wolf-Ferrari (1876-1948) ist ein schwer einzuordnender Komponist. Als Sohn eines deutschen Vaters und einer italienischen Mutter aus einer aristokratischen Familie wurde er in Venedig geboren und ging zum Studium nach München. Berühmt wurde er als Bühnenkomponist mit Werken wie Il Segreto di Susanna und I gioielli della Madonna. Sein Name tritt nun aus dem Schatten, den seine Zusammenarbeit mit dem faschistischen Regime Italiens während des Krieges geworfen hat, und eine Reihe von Alben bei Brilliant Classics haben seine Begabung als Komponist von Kammer- und Instrumentalmusik offenbart, darunter Violinsonaten (96093), Klaviertrios (95624) und eine Reihe seiner Klavierwerke (95868). Im Anschluss an die Klaviertrios entstand um 1900 das Klavierquintett op. 6. Einige der kantablen Melodien mögen an Brahms und die zart gestickte Harmonik an Hugo Wolf erinnern, aber Wolf-Ferraris charakteristische Sanftheit des Tons gleitet nicht in dekorativen Manierismus oder affektierte Sentimentalität ab: Er war im Kern ein deutsch-italienischer Komponist mit einem Fuß auf beiden Seiten der Alpen. Mehr als jedes andere seiner frühen Kammermusikwerke verkörpert das Klavierquintett erfolgreich sein erklärtes Ziel als Komponist, eine "universelle Schönheit" zu schaffen, für die keine Regeln gelten, sondern nur ein Gefühl des Wohlbefindens und der Sinnlichkeit - besonders im überschwänglichen Scherzo und Trio. Die Cellosonate (1945) und das Duo für Violine und Violoncello (1946) teilen die romantische Sprache seiner frühen Kammermusik, sind aber nun durch eine eskapistische Form des Neoklassizismus verfeinert, insbesondere im lebhaften Dialog des Duos. Die Cellosonate ist während ihrer kurzen, traditionell strukturierten viertelstündigen Dauer von einer sanften Ausstrahlung durchdrungen und schöpft aus einer nostalgischen Ausdrucksader, die dem Cello natürlich entgegenkommt, und enthält im langsamen Satz wörtliche Anklänge an Brahms. Auf früheren Alben dieser Brilliant Classics-Reihe war auch der italienische Pianist Costantino Catena zu hören, über den die italienische Klassikzeitschrift Amadeus schrieb: "Ein in seiner Generation seltener Pianist, in dem vor allem die Kunst des Singens auf der Klaviatur mit einem Erfindungsreichtum der Phrasierung glänzt, der seine exquisite musikalische Intelligenz beweist.

Rezensionen

"Sie stehen unter Kitschverdacht, rühren aber doch ans Herz.​ Die Rede ist von Schneekugeln, jenen hermetischen Gebilden, in deren Inneren zumeist eine Miniatur-Landschaft zu sehen ist, die viel zu schön ist, um wahr sein zu können.​ Ein leises Schütteln der Kugel überzuckert die Szene mit einem Wirbel aus Kunstschnee, der alles noch viel zauberhafter macht.​ Das genau zu Beginn des 20.​ Jahrhunderts entstandene Klavierquintett von Wolf-Ferrari, das nach mehr als 30 Jahren jetzt erstmals wieder auf CD verfügbar ist (die beiden je 1989 erschienenen Einspielungen der Label MDG und Dynamic sind längst vergriffen) ist so eine Art klingende Schneekugel: aus der Zeit gefallen und viel zu schön, um wahr zu sein.​ Noch mehr gilt das für die in denkbar dunkler Zeit (1945) entstandene Cellosonate und das Duo für Violine & Cello (1946), die wieder eine ästhetisch heile Kunst-„Landschaft“ evozieren, die schon um 1900, erst recht aber zum Ende des 2.​ Weltkriegs in Trümmern lag.​ Die sechs italienischen Musiker versuchen, Gott sein Dank, erst gar nicht, die Musik gegen den Strich zu bürsten.​ Vielmehr zelebrieren sie die Anachronismen dieser so nobel-aristokratischen Werke mit einer Hingabe, dass man sich den akustischen Kunstschnee mit Wonne um die Ohren wirbeln lässt und die Kugel immer wieder aufs Neue schütteln, will sagen: die CD stets noch einmal in den Player schieben möchte.​ Prädikat: absolut bezaubernd!" (Musik & Theater, Burkhard Schäfer)