Paul Hindemith: Werke f.Viola
Werke f.Viola
2
CDs
CD (Compact Disc)
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
- Sonate f. Viola & Klavier (1939);Sonaten f. Viola solo op. 11, 5; op. 25, 1; op. 31, 4; Sonate f. Viola solo (1937);Sonaten f. Viola & Klavier op. 11, 4 & op. 25, 4
- Künstler: Kim Kashkashian, Robert Levin
- Label: ECM, DDD, 87
- Bestellnummer: 5131299
- Erscheinungstermin: 3.5.1988
Wenn es jemals eine Aufnahme gab, die Wagners berüchtigte Aussage zur Ruhe bringen konnte, dann ist es diese. Sie strotzt nur so vor musikalischer Brillanz und bleibt eines der besten Beispiele dafür, wozu die Bratsche fähig ist. Kim Kashkashians Technik und Leidenschaft sind fast mit Händen zu greifen, und man kann nur über den bescheidenen Respekt staunen, den sie beiden entgegenbringt. Die Bratsche existiert nicht einfach irgendwo zwischen Geige und Cello und ist für immer dazu verdammt, diesen beiden Instrumenten unterlegen zu sein. Sie ist vielmehr ein äußerst dynamisches und reichhaltiges musikalisches Objekt, und die Art und Weise, wie Hindemith ihre subtilen Intonationen in diesen Sonaten enträtselt, ist geradezu monumental. Jedes Kapitel erzählt uns etwas Neues, bis die sprachlichen Möglichkeiten der in diesem eklektischen Satz vertretenen Musik ausgeschöpft sind.
Sonate op. 31, 4
Der erste Satz ist ein virtuoser Sprung durch mikrotonale Harmonien und energiegeladene Fantasieflüge. Kashkashian bewältigt diese mit solcher Überzeugung, dass sie wie spontan komponiert klingen. So evokativ die Musik auch ist, es ist schwierig, sich beim Hören etwas vorzustellen, da sie in einer Klangwelt existiert, die aus den Innereien ihres eigenen Körpers geformt ist. Und auf diese Weise geht sie weiter und zieht aus ihren Bändern, Venen und Arterien einen breiteren musikalischen Kreislauf, der unser Selbstverständnis über das Instrumentale hinaus ins Metaphysische erweitert. Kashkashian endet mit einem dramatischen Schwung, als wolle er die Unaussprechlichkeit der Zugehörigkeit unterstreichen. Der zweite Satz ist ein trauernder Monolog. Diesen spielt Kashkashian mit herzlicher Sensibilität, ganz im Gegensatz zu der rohen Kraft, mit der sie den ersten Satz angeht. Sie entlockt ihrem Instrument Klänge und Emotionen, die tief im Holz selbst verwurzelt sind und durch die Saiten hervorgebracht werden, so wie der Atem durch die Kehle in die Stimme gesponnen wird. Sie tut dies nicht so sehr mit der "Leichtigkeit", die man Virtuosen oft nachsagt, sondern macht vielmehr ihre langen Stunden des hingebungsvollen Übens hörbar, ihr Ringen, diesem vernachlässigten Instrument eine ganz und gar orchestrale Palette von Atmosphären zu entlocken. Der dritte Satz beginnt mit Doppelgriffen und einer linearen Einführung des Themas, bevor er sich in wunderschöne Variationen und einen eigenwilligen Kontrapunkt verwandelt. Auch hier zeigt Hindemith eine Vorliebe für enge Harmonien, für das räumliche Potenzial zwischen benachbarten Noten. Das Thema ist eine faszinierende Melodie, ohne Kontext und daher grenzenlos. Während Kashkashian ihre Energie aufbaut, fällt die Musik in ihre einzelnen melodischen Teile zurück, bevor sie innehält. Der nächste Abschnitt des dritten Satzes trägt die Bezeichnung "Langsam" und ist ein entsprechend geschmeidiges Zwischenspiel, das wie ein Stück vom Wind verwehter Blütenstaub in der Luft hängt. Kashkashian spielt es, als würde er eine neue Entdeckung mitteilen. Die letzte Passage entspringt dem Trost der tangentialen Mitte mit fast Pan-artigem Überschwang. Wir sehen in dieser Musik eine gewisse Qualität des "Verstehens", eine verschmitzte Hingabe an den Willen des kompositorischen Potenzials.
Sonate op. 25, 1
Diese zweite Sonate bricht mit einer Reihe von Portati aus, die dissonant genug sind, um unsere Aufmerksamkeit mit Unbehagen zu erregen, die sich aber schließlich in luftigen Doppelgriffen auflösen. Hier finden wir Schönheit nicht nur in den Momenten, die Konsonanz hervorrufen, sondern vielleicht sogar noch mehr in den Momenten, die wie Äste in einem Baum verwirbelt sind. Der zweite Satz ist eine weitere erdige Meditation, die es dem Zuhörer erlaubt, sich auf jeden Klang zu konzentrieren, der in der einzelnen Saite enthalten ist. Wir finden in diesem Satz eine robuste Geduld. Hier gibt es keine Traurigkeit, sondern nur den Raum, in dem wir mit unseren eigenen Fehlern umgehen können. Durch diese einzelnen Töne erhalten wir einen Eindruck davon, wie ein solcher Prozess aussehen könnte. Der dritte Satz ist ein heftiger Tanz, der die Leiter seines eigenen Ausdrucks hinaufklettert, bevor er sich in ein Tal des Zweifels stürzt. Es ist ein kurzer Streifzug, der so schnell stirbt, wie er entstanden ist. Der Schlusssatz beginnt langsam und mit einer Schönheit, die nach der vorangegangenen selbstmörderischen Kraftentfaltung nur noch gesteigert wird. Kashkashian zieht jede Note zu einer linearen Phrase aus, bevor er sie mit einer weiteren akzentuiert. Diese Art von beschwingtem Muster zieht sich durch das ganze Stück und verleiht dem passenden Schluss eine klagende Qualität.
Sonate 1937
Diese Sonate ist wie eine Lektion in Biologie und verdeutlicht den fließenden Übergang zwischen Haut und Partitur. Der erste Satz ist in der Tat ein verschlungener Organismus. Er wogt mit seinem eigenen Atemrhythmus, formt sich wie eine Stimme in einer Debatte oder einem Streitgespräch und fängt dabei perfekt die Details seiner eigenen Fehlbarkeit ein. Es folgt ein weiterer inniger langsamer Satz, der ebenso nächtlich wie hell ist. Die Stimmung ändert sich schnell, als das Spiel in eine rasantere Ausstellung ausbricht und den Zuhörer mit der erzwungenen Auflösung und der Ungeduld, die sie antreibt, belästigt. Die anschließende Ruhe geht in eine schöne Pizzicato-Passage über, die die gesamte Resonanz des Bratschenkörpers - und des Interpreten - ausnutzt. Bald darauf kehrt der Bogen zu den Saiten zurück und legt ein zartes Mosaik der Endgültigkeit aus. Wir enden mit einem düsteren und etwas unentschlossenen dritten Satz.
Sonate op. 11, 5
Diese Sonate beginnt mit einem eher knappen Eröffnungssatz, sowohl in der Länge als auch in der Stimmung. Es ist, als hätte man uns eine umstrittene Meinung mitgeteilt, die wir nicht ganz verstehen können, von der wir aber wissen, dass sie voller Gefahren ist. Der Satz hat etwas von einem Auf und Ab, das sich in einem obligatorischen und theatralischen Ausstieg zuspitzt. Der zweite Satz steigt auf, während er absteigt, ein klangliches Jakobsleiterspiel. So fesselnd Hindemiths schnellere Sätze auch sind, in diesen langsamen Momenten zeigt er sein größtes Geschick, so fesselnd sind sie in ihrer Festigkeit, in ihrer Fähigkeit, das Unaussprechliche anzudeuten, in ihrer Lust an Melodie und Artikulation und in ihrer bemerkenswerten Fähigkeit, die Freuden der Selbstentdeckung zu betonen. Das Scherzo ist ein Stein, der in der Luft die Richtung ändert, während er über das Wasser hüpft. Es ist spielerisch, nicht in dem Sinne, dass ein Kind spielen könnte, sondern mit der schlauen Intelligenz des sozialen Handelns, die zum Erwachsensein gehört. Eine meisterhafte Miniatur, ganz sicher. Das 11-minütige Epos, das den letzten Satz bildet, bewegt sich ebenfalls sehr organisch. Es tanzt und gleitet - öffnet seine melodischen Kiemen für alles, was sie durchdringen mag, bevor es in herrliche Läufe über das Griffbrett ausbricht, die einfach in den melodischen Möglichkeiten schwelgen, die sie so kunstvoll transportieren - und bewegt sich wie ein Volkslied.
Sonate op. 11, 4
Die eröffnende Phantasie ist atemberaubend schön und verfällt in Momente passiver Romantik, auch wenn sie schwülstigere Fäden aufspinnt. Der zweite Satz besteht aus einem munteren Thema mit Variationen, das die Sonatenform auf einzigartig ekstatische Weise ausweitet. Das Finale mit Variationen nähert sich noch mehr der Inhärenz der ersten beiden Sätze an, um dann in geheimnisvolle Nebengedanken abzugleiten, die am Rande der Einleitung zu schweben scheinen.
Sonate op. 25, 4
Diese Sonate strotzt nur so vor Bartók'scher Lebensfreude, die zugleich waldig und nomadisch ist. Die Bratsche setzt ein, wie eine Tänzerin, die nur auf den richtigen Moment wartet, um ihre Fußarbeit loszulassen. Das Klavier antwortet mit einer spielerischen Herausforderung, auf die die Bratsche mit ganzem Herzen und gebührendem Respekt antwortet. Dieser rhythmisch dynamische und herausfordernde Satz endet mit einer leichten Pizzicato-Note. Der zweite Satz ist voller Tragik und schleicht sich durch ein undefinierbares Wrack, das uns zwar vertraut ist, das wir aber nie erleben können, weil es nicht unser eigenes ist. Das Finale ist voller Dramatik und kreischender Tremolos und singt mit der Überzeugung eines Bergsteigers. Der dritte Satz ist eine ungestüme Exposition, die mit einigen unisono gesungenen Zeilen und einem hohen Ton zum Abschluss endet.
Sonate 1939
Diese letzte Sonate beginnt wie in der Mitte einer Phrase und stürzt sich mit vorsichtiger Hingabe in die Melodien. Das Klavier und die Bratsche spielen ziemlich explizit gegeneinander an und halten an der Verbindung und dem Loslassen fest. Während dieser Satz mit verspielten Momenten, gezupften Ablenkungen und pianistischen Schwelgereien gefüllt ist, setzt der zweite Satz die Füße fest auf den Weg und eilt auf sein Finale zu. Der dritte Satz, eine weitere Phantasie, durchbricht die eisige Oberfläche der Musik wie die Stöcke auf dem Cover des Albums. Als wir zum Ende kommen, zerspringt der Klang wie ein Ei.
Von den vielen Solosonaten für verschiedene Instrumente, die seit der Zeit Bachs komponiert wurden, sind es die von Hindemith, die am konkretesten einen gleichgesinnten Geist einfangen. Paganinis Capricen zum Beispiel sind zwar oberflächlich betrachtet ein Vorbild für Bach, aber im Grunde sind sie Showstopper, die die technischen Grenzen desjenigen austesten sollen, der es wagt, sie aufzuführen. Auch die Soloviolinwerke von Ysaÿe sind eng mit Bach verwandt. Ysaÿe schöpft spezifischer und offenkundiger und entfernt sich dabei von Bach. Hindemith hingegen wählte Farben aus seiner eigenen Palette. So wie Bach die Geige und das Cello wiederbelebt hat, so hat Hindemith der Bratsche einen Raum geschaffen. Ich höre in diesen Sonaten keine Anzeichen, die darauf hindeuten, dass Hindemith in irgendeiner Weise versuchte, zu imitieren. Vielmehr erkundete er mit ungezügelter Ehrlichkeit sein eigenes Terrain. Dankenswerterweise hat uns Kashkashian diese bahnbrechende Aufführung geschenkt, die wir nach Herzenslust genießen können. Ihr Spiel ist abwechselnd robust und zart, ihr Ton tadellos, ihre Technik sicher und minimal ausgeschmückt.
Es wurde gesagt, dass man als Interpret eine gewisse Wertschätzung für ein bestimmtes Musikstück entwickelt, die dem Zuhörer niemals zugänglich ist, denn der Interpret lernt ein Stück von innen heraus. Was Kashkashian von den anderen unterscheidet, ist ihre Bereitschaft, den Zuhörer an der Wertschätzung des Interpreten teilhaben zu lassen, und an den verschiedenen Ebenen, aus denen sich ein solches Engagement zusammensetzt. Wir fühlen jedes Detail so, als ob wir unser eigenes fühlen würden.
Sonate op. 31, 4
Der erste Satz ist ein virtuoser Sprung durch mikrotonale Harmonien und energiegeladene Fantasieflüge. Kashkashian bewältigt diese mit solcher Überzeugung, dass sie wie spontan komponiert klingen. So evokativ die Musik auch ist, es ist schwierig, sich beim Hören etwas vorzustellen, da sie in einer Klangwelt existiert, die aus den Innereien ihres eigenen Körpers geformt ist. Und auf diese Weise geht sie weiter und zieht aus ihren Bändern, Venen und Arterien einen breiteren musikalischen Kreislauf, der unser Selbstverständnis über das Instrumentale hinaus ins Metaphysische erweitert. Kashkashian endet mit einem dramatischen Schwung, als wolle er die Unaussprechlichkeit der Zugehörigkeit unterstreichen. Der zweite Satz ist ein trauernder Monolog. Diesen spielt Kashkashian mit herzlicher Sensibilität, ganz im Gegensatz zu der rohen Kraft, mit der sie den ersten Satz angeht. Sie entlockt ihrem Instrument Klänge und Emotionen, die tief im Holz selbst verwurzelt sind und durch die Saiten hervorgebracht werden, so wie der Atem durch die Kehle in die Stimme gesponnen wird. Sie tut dies nicht so sehr mit der "Leichtigkeit", die man Virtuosen oft nachsagt, sondern macht vielmehr ihre langen Stunden des hingebungsvollen Übens hörbar, ihr Ringen, diesem vernachlässigten Instrument eine ganz und gar orchestrale Palette von Atmosphären zu entlocken. Der dritte Satz beginnt mit Doppelgriffen und einer linearen Einführung des Themas, bevor er sich in wunderschöne Variationen und einen eigenwilligen Kontrapunkt verwandelt. Auch hier zeigt Hindemith eine Vorliebe für enge Harmonien, für das räumliche Potenzial zwischen benachbarten Noten. Das Thema ist eine faszinierende Melodie, ohne Kontext und daher grenzenlos. Während Kashkashian ihre Energie aufbaut, fällt die Musik in ihre einzelnen melodischen Teile zurück, bevor sie innehält. Der nächste Abschnitt des dritten Satzes trägt die Bezeichnung "Langsam" und ist ein entsprechend geschmeidiges Zwischenspiel, das wie ein Stück vom Wind verwehter Blütenstaub in der Luft hängt. Kashkashian spielt es, als würde er eine neue Entdeckung mitteilen. Die letzte Passage entspringt dem Trost der tangentialen Mitte mit fast Pan-artigem Überschwang. Wir sehen in dieser Musik eine gewisse Qualität des "Verstehens", eine verschmitzte Hingabe an den Willen des kompositorischen Potenzials.
Sonate op. 25, 1
Diese zweite Sonate bricht mit einer Reihe von Portati aus, die dissonant genug sind, um unsere Aufmerksamkeit mit Unbehagen zu erregen, die sich aber schließlich in luftigen Doppelgriffen auflösen. Hier finden wir Schönheit nicht nur in den Momenten, die Konsonanz hervorrufen, sondern vielleicht sogar noch mehr in den Momenten, die wie Äste in einem Baum verwirbelt sind. Der zweite Satz ist eine weitere erdige Meditation, die es dem Zuhörer erlaubt, sich auf jeden Klang zu konzentrieren, der in der einzelnen Saite enthalten ist. Wir finden in diesem Satz eine robuste Geduld. Hier gibt es keine Traurigkeit, sondern nur den Raum, in dem wir mit unseren eigenen Fehlern umgehen können. Durch diese einzelnen Töne erhalten wir einen Eindruck davon, wie ein solcher Prozess aussehen könnte. Der dritte Satz ist ein heftiger Tanz, der die Leiter seines eigenen Ausdrucks hinaufklettert, bevor er sich in ein Tal des Zweifels stürzt. Es ist ein kurzer Streifzug, der so schnell stirbt, wie er entstanden ist. Der Schlusssatz beginnt langsam und mit einer Schönheit, die nach der vorangegangenen selbstmörderischen Kraftentfaltung nur noch gesteigert wird. Kashkashian zieht jede Note zu einer linearen Phrase aus, bevor er sie mit einer weiteren akzentuiert. Diese Art von beschwingtem Muster zieht sich durch das ganze Stück und verleiht dem passenden Schluss eine klagende Qualität.
Sonate 1937
Diese Sonate ist wie eine Lektion in Biologie und verdeutlicht den fließenden Übergang zwischen Haut und Partitur. Der erste Satz ist in der Tat ein verschlungener Organismus. Er wogt mit seinem eigenen Atemrhythmus, formt sich wie eine Stimme in einer Debatte oder einem Streitgespräch und fängt dabei perfekt die Details seiner eigenen Fehlbarkeit ein. Es folgt ein weiterer inniger langsamer Satz, der ebenso nächtlich wie hell ist. Die Stimmung ändert sich schnell, als das Spiel in eine rasantere Ausstellung ausbricht und den Zuhörer mit der erzwungenen Auflösung und der Ungeduld, die sie antreibt, belästigt. Die anschließende Ruhe geht in eine schöne Pizzicato-Passage über, die die gesamte Resonanz des Bratschenkörpers - und des Interpreten - ausnutzt. Bald darauf kehrt der Bogen zu den Saiten zurück und legt ein zartes Mosaik der Endgültigkeit aus. Wir enden mit einem düsteren und etwas unentschlossenen dritten Satz.
Sonate op. 11, 5
Diese Sonate beginnt mit einem eher knappen Eröffnungssatz, sowohl in der Länge als auch in der Stimmung. Es ist, als hätte man uns eine umstrittene Meinung mitgeteilt, die wir nicht ganz verstehen können, von der wir aber wissen, dass sie voller Gefahren ist. Der Satz hat etwas von einem Auf und Ab, das sich in einem obligatorischen und theatralischen Ausstieg zuspitzt. Der zweite Satz steigt auf, während er absteigt, ein klangliches Jakobsleiterspiel. So fesselnd Hindemiths schnellere Sätze auch sind, in diesen langsamen Momenten zeigt er sein größtes Geschick, so fesselnd sind sie in ihrer Festigkeit, in ihrer Fähigkeit, das Unaussprechliche anzudeuten, in ihrer Lust an Melodie und Artikulation und in ihrer bemerkenswerten Fähigkeit, die Freuden der Selbstentdeckung zu betonen. Das Scherzo ist ein Stein, der in der Luft die Richtung ändert, während er über das Wasser hüpft. Es ist spielerisch, nicht in dem Sinne, dass ein Kind spielen könnte, sondern mit der schlauen Intelligenz des sozialen Handelns, die zum Erwachsensein gehört. Eine meisterhafte Miniatur, ganz sicher. Das 11-minütige Epos, das den letzten Satz bildet, bewegt sich ebenfalls sehr organisch. Es tanzt und gleitet - öffnet seine melodischen Kiemen für alles, was sie durchdringen mag, bevor es in herrliche Läufe über das Griffbrett ausbricht, die einfach in den melodischen Möglichkeiten schwelgen, die sie so kunstvoll transportieren - und bewegt sich wie ein Volkslied.
Sonate op. 11, 4
Die eröffnende Phantasie ist atemberaubend schön und verfällt in Momente passiver Romantik, auch wenn sie schwülstigere Fäden aufspinnt. Der zweite Satz besteht aus einem munteren Thema mit Variationen, das die Sonatenform auf einzigartig ekstatische Weise ausweitet. Das Finale mit Variationen nähert sich noch mehr der Inhärenz der ersten beiden Sätze an, um dann in geheimnisvolle Nebengedanken abzugleiten, die am Rande der Einleitung zu schweben scheinen.
Sonate op. 25, 4
Diese Sonate strotzt nur so vor Bartók'scher Lebensfreude, die zugleich waldig und nomadisch ist. Die Bratsche setzt ein, wie eine Tänzerin, die nur auf den richtigen Moment wartet, um ihre Fußarbeit loszulassen. Das Klavier antwortet mit einer spielerischen Herausforderung, auf die die Bratsche mit ganzem Herzen und gebührendem Respekt antwortet. Dieser rhythmisch dynamische und herausfordernde Satz endet mit einer leichten Pizzicato-Note. Der zweite Satz ist voller Tragik und schleicht sich durch ein undefinierbares Wrack, das uns zwar vertraut ist, das wir aber nie erleben können, weil es nicht unser eigenes ist. Das Finale ist voller Dramatik und kreischender Tremolos und singt mit der Überzeugung eines Bergsteigers. Der dritte Satz ist eine ungestüme Exposition, die mit einigen unisono gesungenen Zeilen und einem hohen Ton zum Abschluss endet.
Sonate 1939
Diese letzte Sonate beginnt wie in der Mitte einer Phrase und stürzt sich mit vorsichtiger Hingabe in die Melodien. Das Klavier und die Bratsche spielen ziemlich explizit gegeneinander an und halten an der Verbindung und dem Loslassen fest. Während dieser Satz mit verspielten Momenten, gezupften Ablenkungen und pianistischen Schwelgereien gefüllt ist, setzt der zweite Satz die Füße fest auf den Weg und eilt auf sein Finale zu. Der dritte Satz, eine weitere Phantasie, durchbricht die eisige Oberfläche der Musik wie die Stöcke auf dem Cover des Albums. Als wir zum Ende kommen, zerspringt der Klang wie ein Ei.
Von den vielen Solosonaten für verschiedene Instrumente, die seit der Zeit Bachs komponiert wurden, sind es die von Hindemith, die am konkretesten einen gleichgesinnten Geist einfangen. Paganinis Capricen zum Beispiel sind zwar oberflächlich betrachtet ein Vorbild für Bach, aber im Grunde sind sie Showstopper, die die technischen Grenzen desjenigen austesten sollen, der es wagt, sie aufzuführen. Auch die Soloviolinwerke von Ysaÿe sind eng mit Bach verwandt. Ysaÿe schöpft spezifischer und offenkundiger und entfernt sich dabei von Bach. Hindemith hingegen wählte Farben aus seiner eigenen Palette. So wie Bach die Geige und das Cello wiederbelebt hat, so hat Hindemith der Bratsche einen Raum geschaffen. Ich höre in diesen Sonaten keine Anzeichen, die darauf hindeuten, dass Hindemith in irgendeiner Weise versuchte, zu imitieren. Vielmehr erkundete er mit ungezügelter Ehrlichkeit sein eigenes Terrain. Dankenswerterweise hat uns Kashkashian diese bahnbrechende Aufführung geschenkt, die wir nach Herzenslust genießen können. Ihr Spiel ist abwechselnd robust und zart, ihr Ton tadellos, ihre Technik sicher und minimal ausgeschmückt.
Es wurde gesagt, dass man als Interpret eine gewisse Wertschätzung für ein bestimmtes Musikstück entwickelt, die dem Zuhörer niemals zugänglich ist, denn der Interpret lernt ein Stück von innen heraus. Was Kashkashian von den anderen unterscheidet, ist ihre Bereitschaft, den Zuhörer an der Wertschätzung des Interpreten teilhaben zu lassen, und an den verschiedenen Ebenen, aus denen sich ein solches Engagement zusammensetzt. Wir fühlen jedes Detail so, als ob wir unser eigenes fühlen würden.
Rezensionen
E. Kroher im Musikmarkt 11 v. 1.6.88: "Die Kassette ist ein Schallplattenereignis. Ereignishaft ist nämlich nicht nur die Tatsache, dass bisher unveröffentlichte Hindemith-Werke erstmals eingspielt und damit verfügbar wurden, sondern vor allem ihre Interpretation. Ein Dokument, dessen Karatwert die exzellente Aufnahmequalität ebenso unterstreicht wie zwei Textbeiträge voller Denkanstöße."- Tracklisting
- Details
- Mitwirkende
Disk 1 von 2 (CD)
Sonata For Viola Solo No. 4, Op.31
- 1 1. Äußerst lebhaft (Original Version)
- 2 2. Lied - Ruhig, mit wenig Ausdruck (Original Version)
- 3 3. Thema mit Variationen: Schnelle Viertel - Langsam - Ziemlich lebhaft (Original Version)
Sonata For Viola Solo No. 1, Op.25
- 4 1. Breit - Sehr frisch und straff (Original Version)
- 5 2. Sehr langsam (Original Version)
- 6 3. Rasendes Zeitmaß. Wild. Tonschönheit ist Nebensache (Original Version)
- 7 4. Langsam, mit viel Ausdruck (Original Version)
Sonata For Viola Solo 1937
- 8 1. Lebhafte Halbe (Original Version)
- 9 2. Langsame Viertel - Lebhaft (Original Version)
- 10 3. Mäßig schnelle Viertel (Original Version)
Sonata For Viola Solo No. 5, Op.11
- 11 1. Lebhaft, aber nicht geeilt (Original Version)
- 12 2. Mäßig schnell, mit viel Wärme vorgetragen (Original Version)
- 13 3. Scherzo (Original Version)
- 14 4. In Form und Zeitmaß einer Passacaglia (Original Version)
Disk 2 von 2 (CD)
Sonata For Viola And Piano No. 4, Op.11
- 1 1. Phantasie (Original Version)
- 2 2. Thema mit Variationen (Original Version)
- 3 3. Finale mit Variationen (Original Version)
Sonata For Viola And Piano No. 4, Op.25
- 4 1. Sehr lebhaft, markiert und kraftvoll (Original Version)
- 5 2. Sehr langsame Viertel (Original Version)
- 6 3. Finale, lebhafte Viertel (Original Version)
Sonata For Viola And Piano 1939
- 7 1. Breit, mit Kraft (Original Version)
- 8 2. Sehr lebhaft (Original Version)
- 9 3. Phantasie (Original Version)
- 10 4. Finale (Original Version)
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