Razorlight: Slipway Fires
Slipway Fires
CD
CD (Compact Disc)
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
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Im Dezember letzten Jahres flogen Razorlight nach Südafrika, um ein paar Songs im Ellis-Park-Stadion in Johannesburg zu präsentieren. Ihr Auftritt fand im Rahmen einer Veranstaltung von 46664, der internationalen Anti-AIDS-Kampagne der Nelson-Mandela-Stiftung, statt, für die sich Razorlight schon seit Jahren engagieren. Doch während sie ihr Konzert für den guten Zweck spielten, geschah noch etwas. Wer ihre früheren Auftritte kannte und nun diese Show erlebte, verstand sofort, dass etwas in der Luft lag...
Spätestens mit der Veröffentlichung ihres zweiten Albums im Juli 2006 waren Razorlight endgültig in der obersten Liga angekommen: Sie hatten ganz Europa und die Staaten mit ihrem Sound auf den Kopf gestellt, unzählige neue Fans gewonnen, die Charts angeführt und überall vor ausverkauftem Haus gespielt. Im Zentrum dieses Strudels stand ein außerordentlich selbstbewusster Typ, den man eigentlich nur in weißen Jeans und T-Shirts kennt: Sänger und Gitarrist Johnny Borrell, für manche ein Popstar, für andere ein undurchschaubares Rock-Wunderkind.
An jenem Weltaidstag in Südafrika war Johnny und seinen Bandkollegen – Andy Burrows (Schlagzeug), Carl Dalemo (Bass) und Björn Agren (Gitarre) – ausnahmsweise nicht nach Feiern zumute (obwohl sie inzwischen drei Millionen Alben verkauft hatten). Auch wollten sie keine Randale im Backstage-Bereich anzetteln. Der Sänger hatte sein weißes Bühnenoutfit gegen schwarze Klamotten eingetauscht, und obwohl die Band bei jedem Stück alles gab, war es ein neuer Song, »Hostage Of Love«, der das Publikum für einen Moment zum Schweigen brachte. Wie gesagt, es lag etwas in der Luft. Und dieses Etwas – eine Aura, ein tiefes Gefühl –, klang, als ob Razorlight urplötzlich eine neue Frequenz gefunden hätten. Auch wenn es sicherlich nicht alle Anwesenden im Ellis-Park-Stadion bemerkt haben: Sie hatten den Beginn eines neuen Kapitels in der Karriere von Razorlight miterlebt.
Am Anfang war die Dunkelheit. Und zwar buchstäblich, denn in dem Proberaum in East London, in dem Razorlight 2002 / 2003 ihre ersten musikalischen Gehversuche machten, war die Beleuchtung alles andere als verlässlich. Warm war es ehrlich gesagt auch nur, wenn mal wieder ein Möbelstück brannte. Damals sah es für britische Rockbands generell ziemlich schlecht aus, und überhaupt blickten viele Jugendliche in eine eher unsichere Zukunft. In nur zwei Jahren sollten Razorlight das ändern und einen wichtigen Teil zur Renaissance britischer Rockmusik beitragen. Sie zeigten den anderen, was möglich war.
Borrell und Co. hatten den richtigen Look und die richtigen Songs im Gepäck. Kein Wunder, dass sie schon bald darauf vom NME und dem Q Magazine zur »Best New Band« erklärt wurden. Kopfüber stürzten sie sich in den Rockzirkus und bahnten sich den Weg an die Spitze, raus aus kleinen Szenekreisen, denn man konnte sie schon wenig später überall antreffen: Razorlight spielten in Bars, Kellerlöchern, dreckigen Spelunken und schicken Clubs, sie traten auf Dächern auf, in Lehranstalten, bis sie irgendwann ganze Hallen füllten, große Festivals spielten und selbst in Palästen ihre Songs präsentierten. Mit ihrem Debütalbum »Up All Night« warfen sie sämtliche Indierock-Klischees über Bord und gingen an die Grenzen des Möglichen. Dank ihrer »Golden Touch«-Single landeten sie schließlich sogar in den großen Fernsehshows – wobei sie stets einen ganzen Gospelchor im Schlepptau hatten. Von dieser Single angeschoben, schlug nun auch die LP wie eine Bombe ein und verkaufte sich eine Million Mal.
Schon dieses eine Album bescherte Razorlight all das, was sonst nur in Rock’n’roll-Märchen auftaucht: die Mädels kreischten, ein Schlagzeuger tauchte plötzlich unter, Tourneen durch Amerika implodierten, es gab Kontroversen und hin und wieder stand auch die Polizei vor der Tür. Beim Live-8-Konzert trug Johnny einen unfassbaren Hut und legte eine Performance hin, mit der klar war, dass selbst diese Bühne für ihn zu klein war. Als sie mit U2 auf Tour waren, gaben Johnny und Andy gemeinsam mit Bono und Sean Penn ein paar Trinklieder zum Besten. Nichts deutete auch nur ansatzweise darauf hin, dass Razorlight schon bald eine 180-Grad-Wende machen würden...
Im Frühjahr 2006 begann die Band mit der Arbeit an ihrem zweiten Album, wobei sie sich dieses Mal Chris Thomas ins Boot holten, einen der größten britischen Produzenten (unter anderem bekannt für seine Arbeit mit The Beatles, Roxy Music, The Pretenders und The Sex Pistols). Mit »Somewhere Else«, einer Single, die zwischen den Alben erschienen war, hatten sie die Songwriting-Latte noch ein gutes Stück höher gelegt, und auch Andy Burrows zeigte sich nun immer öfter als Co-Autor verantwortlich. In den Sessions in den British Grove Studios in West London sprengten sie die Grenzen ihres Rocksounds erneut und erschufen ein echtes Popmeisterwerk.
Q Magazine bezeichnete die gleichnamige zweite LP als »das beste Gitarrenalbum seit ›Definitely Maybe‹ von Oasis«. Die Single »In The Morning« ging aus dem Stand auf Platz #2 der britischen Charts, während das »Razorlight«-Album selbst Platz #1 belegte, was ihnen übrigens auch mit dem scheuklappenfreien »America«, der zweiten Single, gelingen sollte. Letztere war dann auch bis weit ins Jahr 2007 hinein überall im Radio zu hören.
Mit »Razorlight« hatte die Band das nächste Level erreicht. In England waren sie nun endgültig Teil des popkulturellen Puzzles: Die schleimigen Fotografen der Boulevardblätter jagten Johnny und Andy durch die Straßen; die Vogue nahm Johnny kurzerhand aufs Cover; die Klatschpresse verkündete immer neue Gerüchte über die Stimmungen im Lager der Band, und dann gab es noch Freundinnen aus Hollywood-Kreisen, diverse Trennungsgerüchte und vermeintlichen Knatsch, doch basierte all das auf Halbwahrheiten und weitaus weniger Humor als nötig gewesen wäre...
Während der Abstand zwischen der Bühne und der hintersten Publikumsreihe stetig größer wurde – schließlich waren inzwischen selbst die großen Stadien ausverkauft, dazu gab es Konzerte im Earls Court Exhibition Centre und Headliner-Slots in Reading und Leeds –, hielt die Band zusammen und überzeugte Abend für Abend mit einer umwerfenden Show. Dennoch sollten auch die Nebeneffekte dieser immensen Erfolgswelle nicht ausbleiben.
Nachdem Razorlight eine breite Schneise in die Musikwelt geschlagen und ein großes Stück des Kuchens für sich beansprucht hatten, war es eigentlich nicht weiter verwunderlich, dass die Bandmitglieder irgendwann an den Punkt gelangten, an dem sie sich fragten, wozu das alles gut sei. Was bedeutet der Erfolg? Wie verändert er einen? Ende 2007 tauchten dann die ersten Fackeln im Dickicht des Erfolgs auf: »Wir stellten uns all diese Fragen, warum wir überhaupt Musik machen; und als wir dann ins Studio gingen, explodierten wir förmlich, alles platzte aus uns heraus«, berichtet Johnny. Zum ersten Mal seit Jahren hatten sie sich eine kleine Auszeit genommen, und so machten sich die Bandmitglieder auf, um Antworten auf die großen Fragen zu finden.
Andy schrieb z. B. das Soloalbum »Colour Of My Dreams« während er aus dem Fenster seiner Wohnung schaute, und wiederum waren Fans und Kritiker gleichermaßen aus dem Häuschen. Björn packte seine Gitarre ein und zog sich auf eine Mittelmeerinsel zurück. Carl wollte unbedingt wieder in die Rolle eines Fans schlüpfen, also machte er sich auf die Suche nach neuen Bands. Und Johnny tauchte auf den Äußeren Hebriden unter, einer kaum bewohnten Inselkette vor der Westküste Schottlands, die man nur mit der Fähre erreicht. Mit einem kleinen Notizbuch im Gepäck, schrieb er einen Großteil der Songs der kommenden »Slipway Fires«-LP, während die Atlantikstürme über die Insel fegten und er sonst endlich mal seine Ruhe hatte: »Ich hatte nur ein Notizbuch und einen Stift dabei; darin habe ich meine Ideen für das Album niedergeschrieben«, berichtet Johnny. »Unser letztes Album hatte wahnsinnig große Melodien, aber inhaltlich war es nicht gerade unsere beste Platte. Bei dieser LP ist das anders, denn nun steht genau dieser Aspekt im Mittelpunkt. Man muss schließlich auch wissen, worum es einem beim Schreiben geht.«
Nach diesen Abstechern ging alles recht schnell: Ein paar Wochen verbrachten sie in einem umgebauten Fabrikgebäude im Norden Londons, bis die Songs endgültig standen, und nach weiteren sechs Wochen in den Air Studios war das komplette Album im Kasten. Der Band war besonders wichtig, dass so wenig wie möglich digital nachbearbeitet wird. Der gesamte Prozess sollte möglichst klassisch und natürlich – ja, menschlich – ablaufen.
Im Sommer 2008 entwickelten sich Johnny und Andy zu einem immer besseren Songwriter-Team, während ihr Produzent Mike Crossey sich als ein dermaßen beeindruckender Studio-Tüftler entpuppte, dass er zwischenzeitlich schon wie ein »fünftes Bandmitglied« behandelt wurde. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist kaum in Worte zu fassen. Aber sagen wir so: »Slipway Fires« ist eine LP, die nur als Folge anderer, größerer Umwälzungen entstehen konnte; erst nachdem sich die Band anderen Herausforderungen gestellt hatte, nachdem sie durch irgendeine Art von Hölle gegangen waren – und nachdem sie Schmerzen in allen erdenklichen Formen gekostet hatten. Das mag etwas pathetisch klingen, aber anders kann man den Tiefgang von »Slipway Fires« nicht beschreiben.
»Wire To Wire« zum Beispiel, eine gespenstische Klavierballade, ist zugleich eine der bizarrsten und anmutigsten Radio-Singles aller Zeiten. Der episch angelegte Song »Stinger« funktioniert wie ein klanglicher Brandstifter, der es auf die Magengrube der Zuhörer abgesehen hat. In »Hostage Of Love« stecken deutlich mehr Pfeile als im heiligen Sebastian. Eleganter als im Fall von »60 Thompson« könnte Schmerz nicht vertont werden. Doch dann gibt es auch die Rock’n’roll-Peitschen von »Tabloid Lover«, die bissigen Harmonien von »Burberry Blue Eyes« oder »North London Trash«, in denen ihr kollektiver Hang zu astreinem Pop aufflackert, während Johnnys Texte zum Teil ganz schön brutal werden.
Sicherlich laufen alle Bands beim dritten oder vierten Album Gefahr, sich zu wiederholen, zu einer bloßen Entertainment-Institution zu verkommen, die eher aus Gewohnheit weitermacht und nur noch mit einer billigen Kopie von Leidenschaft bei der Sache ist. »Slipway Fires« von Razorlight ist jedoch der eindeutige Gegenbeweis, denn sie zeigen, dass man nicht in diese Falle tappen muss und wie man dieses Muster durchbricht: Von Fackeln entzündet, von den Sternen geleitet, liegt auf der Hand, dass sie auf dem richtigen Weg sind.
»Wenn die Leute sagen, dass es unser Klassikeralbum ist, dann habe ich damit kein Problem«, sagt Johnny. »Genauer gesagt ist es das erste von insgesamt drei Klassikeralben.«
»Wenn man derartige Songs hat, muss man sich nicht aufplustern und krampfhaft versuchen, für etwas zu stehen. Du musst die Stücke einfach nur den Leuten vorspielen, die CD einlegen und dich in die Kneipe verpissen«, fügt Andy hinzu.
«Wenn du Songs hast, die so gut sind, dann brauchst du gar kein großes Ego«, sagt ein lachender Johnny abschließend. »Wir wissen, was wir können; und das hier ist genau das, was wir momentan zu bieten haben.«
Spätestens mit der Veröffentlichung ihres zweiten Albums im Juli 2006 waren Razorlight endgültig in der obersten Liga angekommen: Sie hatten ganz Europa und die Staaten mit ihrem Sound auf den Kopf gestellt, unzählige neue Fans gewonnen, die Charts angeführt und überall vor ausverkauftem Haus gespielt. Im Zentrum dieses Strudels stand ein außerordentlich selbstbewusster Typ, den man eigentlich nur in weißen Jeans und T-Shirts kennt: Sänger und Gitarrist Johnny Borrell, für manche ein Popstar, für andere ein undurchschaubares Rock-Wunderkind.
An jenem Weltaidstag in Südafrika war Johnny und seinen Bandkollegen – Andy Burrows (Schlagzeug), Carl Dalemo (Bass) und Björn Agren (Gitarre) – ausnahmsweise nicht nach Feiern zumute (obwohl sie inzwischen drei Millionen Alben verkauft hatten). Auch wollten sie keine Randale im Backstage-Bereich anzetteln. Der Sänger hatte sein weißes Bühnenoutfit gegen schwarze Klamotten eingetauscht, und obwohl die Band bei jedem Stück alles gab, war es ein neuer Song, »Hostage Of Love«, der das Publikum für einen Moment zum Schweigen brachte. Wie gesagt, es lag etwas in der Luft. Und dieses Etwas – eine Aura, ein tiefes Gefühl –, klang, als ob Razorlight urplötzlich eine neue Frequenz gefunden hätten. Auch wenn es sicherlich nicht alle Anwesenden im Ellis-Park-Stadion bemerkt haben: Sie hatten den Beginn eines neuen Kapitels in der Karriere von Razorlight miterlebt.
Am Anfang war die Dunkelheit. Und zwar buchstäblich, denn in dem Proberaum in East London, in dem Razorlight 2002 / 2003 ihre ersten musikalischen Gehversuche machten, war die Beleuchtung alles andere als verlässlich. Warm war es ehrlich gesagt auch nur, wenn mal wieder ein Möbelstück brannte. Damals sah es für britische Rockbands generell ziemlich schlecht aus, und überhaupt blickten viele Jugendliche in eine eher unsichere Zukunft. In nur zwei Jahren sollten Razorlight das ändern und einen wichtigen Teil zur Renaissance britischer Rockmusik beitragen. Sie zeigten den anderen, was möglich war.
Borrell und Co. hatten den richtigen Look und die richtigen Songs im Gepäck. Kein Wunder, dass sie schon bald darauf vom NME und dem Q Magazine zur »Best New Band« erklärt wurden. Kopfüber stürzten sie sich in den Rockzirkus und bahnten sich den Weg an die Spitze, raus aus kleinen Szenekreisen, denn man konnte sie schon wenig später überall antreffen: Razorlight spielten in Bars, Kellerlöchern, dreckigen Spelunken und schicken Clubs, sie traten auf Dächern auf, in Lehranstalten, bis sie irgendwann ganze Hallen füllten, große Festivals spielten und selbst in Palästen ihre Songs präsentierten. Mit ihrem Debütalbum »Up All Night« warfen sie sämtliche Indierock-Klischees über Bord und gingen an die Grenzen des Möglichen. Dank ihrer »Golden Touch«-Single landeten sie schließlich sogar in den großen Fernsehshows – wobei sie stets einen ganzen Gospelchor im Schlepptau hatten. Von dieser Single angeschoben, schlug nun auch die LP wie eine Bombe ein und verkaufte sich eine Million Mal.
Schon dieses eine Album bescherte Razorlight all das, was sonst nur in Rock’n’roll-Märchen auftaucht: die Mädels kreischten, ein Schlagzeuger tauchte plötzlich unter, Tourneen durch Amerika implodierten, es gab Kontroversen und hin und wieder stand auch die Polizei vor der Tür. Beim Live-8-Konzert trug Johnny einen unfassbaren Hut und legte eine Performance hin, mit der klar war, dass selbst diese Bühne für ihn zu klein war. Als sie mit U2 auf Tour waren, gaben Johnny und Andy gemeinsam mit Bono und Sean Penn ein paar Trinklieder zum Besten. Nichts deutete auch nur ansatzweise darauf hin, dass Razorlight schon bald eine 180-Grad-Wende machen würden...
Im Frühjahr 2006 begann die Band mit der Arbeit an ihrem zweiten Album, wobei sie sich dieses Mal Chris Thomas ins Boot holten, einen der größten britischen Produzenten (unter anderem bekannt für seine Arbeit mit The Beatles, Roxy Music, The Pretenders und The Sex Pistols). Mit »Somewhere Else«, einer Single, die zwischen den Alben erschienen war, hatten sie die Songwriting-Latte noch ein gutes Stück höher gelegt, und auch Andy Burrows zeigte sich nun immer öfter als Co-Autor verantwortlich. In den Sessions in den British Grove Studios in West London sprengten sie die Grenzen ihres Rocksounds erneut und erschufen ein echtes Popmeisterwerk.
Q Magazine bezeichnete die gleichnamige zweite LP als »das beste Gitarrenalbum seit ›Definitely Maybe‹ von Oasis«. Die Single »In The Morning« ging aus dem Stand auf Platz #2 der britischen Charts, während das »Razorlight«-Album selbst Platz #1 belegte, was ihnen übrigens auch mit dem scheuklappenfreien »America«, der zweiten Single, gelingen sollte. Letztere war dann auch bis weit ins Jahr 2007 hinein überall im Radio zu hören.
Mit »Razorlight« hatte die Band das nächste Level erreicht. In England waren sie nun endgültig Teil des popkulturellen Puzzles: Die schleimigen Fotografen der Boulevardblätter jagten Johnny und Andy durch die Straßen; die Vogue nahm Johnny kurzerhand aufs Cover; die Klatschpresse verkündete immer neue Gerüchte über die Stimmungen im Lager der Band, und dann gab es noch Freundinnen aus Hollywood-Kreisen, diverse Trennungsgerüchte und vermeintlichen Knatsch, doch basierte all das auf Halbwahrheiten und weitaus weniger Humor als nötig gewesen wäre...
Während der Abstand zwischen der Bühne und der hintersten Publikumsreihe stetig größer wurde – schließlich waren inzwischen selbst die großen Stadien ausverkauft, dazu gab es Konzerte im Earls Court Exhibition Centre und Headliner-Slots in Reading und Leeds –, hielt die Band zusammen und überzeugte Abend für Abend mit einer umwerfenden Show. Dennoch sollten auch die Nebeneffekte dieser immensen Erfolgswelle nicht ausbleiben.
Nachdem Razorlight eine breite Schneise in die Musikwelt geschlagen und ein großes Stück des Kuchens für sich beansprucht hatten, war es eigentlich nicht weiter verwunderlich, dass die Bandmitglieder irgendwann an den Punkt gelangten, an dem sie sich fragten, wozu das alles gut sei. Was bedeutet der Erfolg? Wie verändert er einen? Ende 2007 tauchten dann die ersten Fackeln im Dickicht des Erfolgs auf: »Wir stellten uns all diese Fragen, warum wir überhaupt Musik machen; und als wir dann ins Studio gingen, explodierten wir förmlich, alles platzte aus uns heraus«, berichtet Johnny. Zum ersten Mal seit Jahren hatten sie sich eine kleine Auszeit genommen, und so machten sich die Bandmitglieder auf, um Antworten auf die großen Fragen zu finden.
Andy schrieb z. B. das Soloalbum »Colour Of My Dreams« während er aus dem Fenster seiner Wohnung schaute, und wiederum waren Fans und Kritiker gleichermaßen aus dem Häuschen. Björn packte seine Gitarre ein und zog sich auf eine Mittelmeerinsel zurück. Carl wollte unbedingt wieder in die Rolle eines Fans schlüpfen, also machte er sich auf die Suche nach neuen Bands. Und Johnny tauchte auf den Äußeren Hebriden unter, einer kaum bewohnten Inselkette vor der Westküste Schottlands, die man nur mit der Fähre erreicht. Mit einem kleinen Notizbuch im Gepäck, schrieb er einen Großteil der Songs der kommenden »Slipway Fires«-LP, während die Atlantikstürme über die Insel fegten und er sonst endlich mal seine Ruhe hatte: »Ich hatte nur ein Notizbuch und einen Stift dabei; darin habe ich meine Ideen für das Album niedergeschrieben«, berichtet Johnny. »Unser letztes Album hatte wahnsinnig große Melodien, aber inhaltlich war es nicht gerade unsere beste Platte. Bei dieser LP ist das anders, denn nun steht genau dieser Aspekt im Mittelpunkt. Man muss schließlich auch wissen, worum es einem beim Schreiben geht.«
Nach diesen Abstechern ging alles recht schnell: Ein paar Wochen verbrachten sie in einem umgebauten Fabrikgebäude im Norden Londons, bis die Songs endgültig standen, und nach weiteren sechs Wochen in den Air Studios war das komplette Album im Kasten. Der Band war besonders wichtig, dass so wenig wie möglich digital nachbearbeitet wird. Der gesamte Prozess sollte möglichst klassisch und natürlich – ja, menschlich – ablaufen.
Im Sommer 2008 entwickelten sich Johnny und Andy zu einem immer besseren Songwriter-Team, während ihr Produzent Mike Crossey sich als ein dermaßen beeindruckender Studio-Tüftler entpuppte, dass er zwischenzeitlich schon wie ein »fünftes Bandmitglied« behandelt wurde. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist kaum in Worte zu fassen. Aber sagen wir so: »Slipway Fires« ist eine LP, die nur als Folge anderer, größerer Umwälzungen entstehen konnte; erst nachdem sich die Band anderen Herausforderungen gestellt hatte, nachdem sie durch irgendeine Art von Hölle gegangen waren – und nachdem sie Schmerzen in allen erdenklichen Formen gekostet hatten. Das mag etwas pathetisch klingen, aber anders kann man den Tiefgang von »Slipway Fires« nicht beschreiben.
»Wire To Wire« zum Beispiel, eine gespenstische Klavierballade, ist zugleich eine der bizarrsten und anmutigsten Radio-Singles aller Zeiten. Der episch angelegte Song »Stinger« funktioniert wie ein klanglicher Brandstifter, der es auf die Magengrube der Zuhörer abgesehen hat. In »Hostage Of Love« stecken deutlich mehr Pfeile als im heiligen Sebastian. Eleganter als im Fall von »60 Thompson« könnte Schmerz nicht vertont werden. Doch dann gibt es auch die Rock’n’roll-Peitschen von »Tabloid Lover«, die bissigen Harmonien von »Burberry Blue Eyes« oder »North London Trash«, in denen ihr kollektiver Hang zu astreinem Pop aufflackert, während Johnnys Texte zum Teil ganz schön brutal werden.
Sicherlich laufen alle Bands beim dritten oder vierten Album Gefahr, sich zu wiederholen, zu einer bloßen Entertainment-Institution zu verkommen, die eher aus Gewohnheit weitermacht und nur noch mit einer billigen Kopie von Leidenschaft bei der Sache ist. »Slipway Fires« von Razorlight ist jedoch der eindeutige Gegenbeweis, denn sie zeigen, dass man nicht in diese Falle tappen muss und wie man dieses Muster durchbricht: Von Fackeln entzündet, von den Sternen geleitet, liegt auf der Hand, dass sie auf dem richtigen Weg sind.
»Wenn die Leute sagen, dass es unser Klassikeralbum ist, dann habe ich damit kein Problem«, sagt Johnny. »Genauer gesagt ist es das erste von insgesamt drei Klassikeralben.«
»Wenn man derartige Songs hat, muss man sich nicht aufplustern und krampfhaft versuchen, für etwas zu stehen. Du musst die Stücke einfach nur den Leuten vorspielen, die CD einlegen und dich in die Kneipe verpissen«, fügt Andy hinzu.
«Wenn du Songs hast, die so gut sind, dann brauchst du gar kein großes Ego«, sagt ein lachender Johnny abschließend. »Wir wissen, was wir können; und das hier ist genau das, was wir momentan zu bieten haben.«
- Tracklisting
- Mitwirkende
Disk 1 von 1 (CD)
- 1 Wire To Wire
- 2 Hostage Of Love
- 3 You And The Rest
- 4 Tabloid Lover
- 5 North London Trash
- 6 60 Thompson
- 7 Stinger
- 8 Burberry Blue Eyes
- 9 Blood For Wild Blood
- 10 Monster Boots
- 11 The House
- 12 Weblink
Razorlight
Slipway Fires
EUR 6,99*