Das Kapital: Vive La France auf 2 LPs

Saxofonist Daniel Erdmann ist Deutscher, Gitarrist Hasse Poulsen Däne und Drummer Edward Perraud Franzose, doch keiner von ihnen definiert sich über geografische oder nationale Attribute.

Die Band der drei umtriebigen Künstler, die jeweils auch in verschiedenste andere Projekte involviert sind, einfach als Europäisch zu deklarieren, wäre fatal, denn nur zu oft läuft der Eurojazz auf den berüchtigten kleinsten gemeinsamen Nenner hinaus. Seit 2002 sind die drei sehr individualistischen Persönlichkeiten dabei, nicht nur ihre eigenen Stärken ins Spiel zu bringen, sondern sich zusammen eine kollektive Subjektivität zu erspielen.

Nach bereits drei Alben mit Hanns Eisler-Transformationen, einer »Weihnachts-CD« und dem sehr erfolgreichen »Kind Of Red« sowie der Auszeichnung mit dem Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik sind die meinungsfreudigen Virtuosen, die in der Traditionslinie des freien Jazz stets ihre politische Haltung durchschimmern lassen, mit »Vive La France« zurück.

Die zwölf Stücke klingen fokussierter und vollkommener denn je. Obwohl Das Kapital der Musik Frankreichs seine Referenz erweist (von Patrick Hernandez bis Erik Satie, von Discopop bis Renaissance und Barock), ist der Albumtitel ganz klar ironisch und in Abgrenzung zu neuen Nationalismen zu verstehen. Und auch die Interpretation des Ausgangsmaterials gerät hintersinnig, konterkariert ursprüngliche Zugehörigkeiten, transzendiert und parodiert sogar.

Mit Kreativität und Leidenschaft wird die Musik zum Spielfeld melodischen bis abstrakten Ausdrucks, der Klang zum Instrument, das Subtile zum Vordergründigen. Transparenz und gleichzeitig hohe atmosphärische Dichte, immer im Kollektiv. Das Kapital bleibt zweifellos eine der spannendsten Jazzcombos zurzeit.

Rezensionen

»Mit Saxofon, akustischer oder elektrischer Gitarre sowie Schlagzeug und ein bisschen Elektronik verorten die Musiker ihre Vorlagen und verfrachten sie in neue Gewänder mit Liebe zum Detail und voller überraschender Wendungen, wobei die Sympathie für die Originale immer durchscheint .​.​.​« (Jazz thing, Juni - August 2019)