Ann Burton: Am I Blue
Am I Blue
CD
CD (Compact Disc)
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
- Gesamtverkaufsrang: 7511
- Verkaufsrang in CDs: 3325
Es sei - so meinte der Produzent Chris Hinze vor gut zehn Jahren - schon sehr schwierig, sich in den Niederlanden mit Jazz-Gesang durchschlagen zu wollen. Denn dort glaube man eben immer noch, »was von jenseits des Atlantiks kommt, schmeckt einfach besser«. Das scheint im restlichen Europa kaum anders zu sein. Kein Wunder also, dass die Sängerin Ann Burton ihre frühen Erfolge nicht zu Hause, sondern in Japan und den USA feierte. In den Niederlanden konnte sie jedenfalls zu Beginn ihrer erstaunlichen Karriere, also Anfang der 60er Jahre, nur sporadisch auf treten. Das änderte sich erst zaghaft, als ihre Debüt-Platte »Blue Burton« (1968 mit dem renommierten Edison-Preis ausgezeichnet) erschien:
Nun war sie schlag artig als eine der herausragenden Stimmen Europas bekannt, Auftritte in den USA und - vor allem - Japan folgten. In den Poils des ehrwürdigen »Swing Journal« wurde sie schon bald als eine der besten Vokalistinnen geführt, galt als Inbegriff für stimmlichen Samt. Nur in Europa wollte der große Durchbruch nicht klappen. Und das lag wohl gar nicht mal daran, dass der Jazz eben doch eine Männer-Domäne blieb. Entscheidend war vielmehr der verbreitete Aberglaube, »richtiger« Jazz-Gesang könne - wenn überhaupt - einzig und allein aus den Staaten kommen. Alles andere sei zwangsläufig notdürftiger Abklatsch. Dabei steht gerade Ann Burton wie kaum eine ihrer Kolleginnen in bester Tradition, vor allem zu der von ihr bewunderten Billie Holiday. Jener großen Lady des Jazz also, die wie kaum eine andere für Ausdrucksstärke in der Interpretation steht - abseits von aufgesetzter Virtuosität oder peinlichem Manierismus. Und mit starken Wurzeln im Blues. Qualitäten, die für Ann Burton ebenfalls gelten.
Bleibt die alte Frage, ob »Jazz« überhaupt für den Gesang taugt. Der Tenorsaxophonist Lester Young brachte es einmal auf den Punkt: »Man muss den Text eines Songs kennen und verstehen, um die richtigen Töne und Gefühle zu treffen. Wenn sich Jazz so spielen lässt, dann lässt er sich selbstverständlich ebenso singen. Jedenfalls wusste Young, wovon er sprach. War er doch der bevorzugte Begleiter Billie Holidays. Auch für Ann Burton gilt: »Ich beginne immer mit dem Text, in den muss ich verliebt sein, um Bilder zu sehen, meine eigenen Erfahrungen zu benutzen oder an bekannte Situationen zu denken.«
Man muss allerdings zugeben, sehr zeitgemäß scheint diese Ansicht nicht zu sein. Denn heute geht's doch auch im Jazz zunehmend um reine Virtuosität. Die Gestaltung des Tons steht eindeutig vor der Interpretation des Textes, die Palette der Klangfarben wirkt wichtiger als die der melodischen Ideen. Und das gilt eben auch für die Stimme: Sie soll nicht mehr so sehr jene Gefühle ausdrücken, die zwischen den Worten eines Songs stecken, sondern Akrobatik vorführen. Ganz so, als sei sie eben auch »nur« ein Instrument. Populär sind allenthalben nicht die Sänger, sondern die sogenannten Vokalisten, die ihr geschmeidiges Organ in erster Linie als solistisches Werkzeug verstehen. Eine Vokalistin wie Urszula Dudziak setzt dann völlig konsequent auch Elektronik ein. um das Farbrepertoire ihrer Stimme zu erweitern. Und ein Bobby McFcrrin, der in Konzerten wirklich jeden Resonanzraum seines Körpers aktiviert, kehrt erst in jüngster Zeit wieder zum eigentlichen Song, also zur textbezogenen Interpretation zurück.
Dass im traditionellen Jazz-Gesang die notwendige Freiheit der Gestaltung, die für den Jazz charakteristische Improvisation, keineswegs auf der Strecke bleibt, hat ja vor allem Billie Holiday immer wieder unter Beweis gestellt. Sie löste sich - in ihren letzten Jahren zunehmend radikaler - vom eigentlichen Song, von Melodie, Metrum (vor oder hinter dem Beat) und Rhythmus. Und machte deshalb aus jedem noch so geläufigen Standard immer wieder ein neues Stück.
Wenn man so will: Nur dadurch wird Jazz ja überhaupt »singbar«. Und das beherrscht auch Ann Burton. Mit einem entscheidenden Unterschied freilich:
Während die enttäuschte, ausgenutzte, gebrochene Billie Holiday stets zynisch wurde, wird Ann Burton ironisch. Und doch gibt sie den Songs ganz ähnliche Qualitäten. Sie swingt - und sie ist im besten Sinne »blue«.
Für diese Einspielung aus dem Mai 1981 hat sich Ann Burton zehn Songs der 20er und 30cr Jahre ausgewählt, alle auf bestem Standards-Niveau. Und auf dem spielen auch die Begleitmusiker, die zu dieser Session zusammenkamen. Eine klassische Besetzung mit Klavier, Bass, Schlagzeug und Saxophon.
Die Zusammenstellung der Titel ist durch aus programmatisch. »Meist kann man den Sänger schon an der Auswahl des Repertoires erkennen, vor allem, wenn es ein Jazz-Repertoire ist«, meint die Künstlerin. Der erste Titel, »1 Can't Face The Music (Without Singing The Blues)«, ist da schon mehr als ein persönliches Bekenntnis.
Denn Ann Burton singt dieses Stück wirklich wie einen ruhigen Blues - allerdings mit einer ungewöhnlich klaren, fast strahlenden Stimme. Dafür übernimmt das Saxophon den Part des Sentimentalen: Bobby Malach lässt sein Instrument grunzen und lamentieren. John Clayton dagegen verselbständigt sich mit seinem Bass und summt dazu in einem zunehmend eigenen Rhythmus. In dieser Kombination entstehen viele witzige bis ironische Wendungen. »I'll Be Around« ist eine jener melancholischen Balladen über die Unerschütterlichkeit echter Liebe, mit denen die US-amerikanische Literatur so überaus reich gesegnet ist. Ein Titel übrigens, den auch Glenn Miller, Cab Calloway und Art Kassel oft in ihren Programmen hatten. Und selbst hier schafft Ann Burton wieder einen ganz ungewöhnlichen Kontrast, indem sie selbst eine kühle, in der Stimme herrlich rauchige Souveränität zur Schau trägt, sich aber von ihren Kollegen zart und sehr einfühlsam begleiten lässt. Hervorragend sind dabei die geradezu schmunzelnden Akkord-Tupfer von Rob van Kreeveld.
Als eine Ballade der leisen Töne und sanften, manchmal nur hinge hauchten Worte erscheint »Did I Remember«. Anu Burton und Rob van Kreeveld machen daraus allerdings ein ebenso reibendes wie attraktives Wechselspiel zwischen Stimme und Klavier: Sie verlegt sich auf getragene Melodik und ein freieres Metrum, er setzt rhythmisch scharf akzentuierte Harmonik dagegen. Bobby Malach nimmt mit seinem Saxophon immer wieder die Phrasierungen Ann Burtons auf, setzt sie allerdings ganz anders, nämlich beinahe schmachtend um. Spätestens der vierte Titel dieser Produktion macht dann deutlich, dass Ann Burton auch diese Session in der Dramaturgie geradezu wie ein Konzertprogramm angelegt hat: »Laughing At Life« ist außerordentlich swingend angelegt und bietet - vor allem - viel Raum für Solistisches. Das nutzen die Musiker für kurze, aber sehr intensive Ausflüge. Insbesondere Bobby Malach, der eingangs dieses Titels nur zaghaft im Hintergrund tutet, hat hier seinen großen Einsatz.
In »I Am Blue«, einem verblüffend modern inszenierten Klassiker, lässt sich Ann Burton nur von John Clayton begleiten. Der zieht hier allerdings sämtliche Register. Er steigt mit einem sanft gestrichenen Bass ein, lässt dann die Saiten tüchtig schnalzen, um schließlich - dank Tape-Dubbing - mit sich selbst um die Wette zu streichen und zu zupfen. Das freilich in einer außerordentlichen Mischung aus Feeling und Akkuratesse.
Mit einem gestrichenen Bass lässt sich Ann Burton zunächst auch in »I Wished On The Moon« unterstützen, einem Titel übrigens, den auch Billie Holiday im Repertoire hatte. Dann übernimmt das Klavier die Begleitung und sorgt plötzlich für eine völlig andere Atmosphäre: was eingangs eher bedrückt bis düster wirkte, fließt nun ganz locker dahin. Im Mittelteil setzt wiederum Bobby Malach zum großen Atem an, reißt seine Kollegen nach allen Regeln der Kunst mit. Rob van Kreeveld bleibt die Aufgabe, neuerlich für eine etwas moderate Stimmung zu sorgen, so dass Ann Burton wieder bruchlos einsteigen kann.
Die pfiffige Dramaturgie lässt mit »I Don't Want To Cry Anymore« eine Ballade über »nächtliche« Gedanken folgen. Da müssen sich die Instrumentalisten deutlich zurücknehmen und eine Hintergrundstimmung zaubern, in der Ann Burton nun wirklich allen Samt ihrer Stimme ausbreiten kann - nicht ohne über ihre liebenswerte Sentimentalität innerlich (und dennoch hörbar) auch ein wenig zu lächeln.
»On The Sentimental Side« weckt geradezu Erinnerungen an »Casablanca«. Rob van Kreeveld begleitet im besten »Stride«-Stil, lässt also in der linken Hand den Basston ständig mit dem Akkord wechseln. Und auch in der Struktur orientiert sich dieser Titel wunderschön am Nightclub-Swing der 30er Jahre: Im Mittelteil legt Rob van Kreeveld ein Solo hin, das eines Fats Wallers würdig wäre.
Eine Komposition von Hoagy Carmichael schließt sich an. »I Get Along Without You« wird hier herrlich selbstironisch in Szene gesetzt. Dazu gehört, dass sich die Musiker bis ins Detail an populären Eigenheiten des Swing orientieren: Auch der Schlagzeuger darf zwischendurch Solistisches einlegen. Wie allerdings Bobby Malach das Thema zum Schluss aus- und endlich ins Hymnische umdeutet, ist mehr als hörenswert.
In den gesamten dramaturgischen Ablauf passt zum Abschluss ein Titel, den wohl Billie Holiday kaum anders interpretiert hätte: melancholisch und mit jener typischen Spur Hoffnungslosigkeit kommt »I Am A Fool« daher. Auch Bobby Malach spielt sich die Seele heraus - ganz so, als säße er in einer langen Spätsommernacht auf dem Dach, um den Mond anzusingen.
Wer den Titel dieser Produktion wortgetreu als Frage versteht, hat hier längst die Antwort: Natürlich ist Ann Burton »blue«. Und sie setzt dieses Empfinden nicht als musikalische Funktion ein, sondern - in bester Tradition - als Qualität, mit der sie ihre Songs adelt. Leider hat man das bis heute in Europa viel zu selten erkannt.
Nun war sie schlag artig als eine der herausragenden Stimmen Europas bekannt, Auftritte in den USA und - vor allem - Japan folgten. In den Poils des ehrwürdigen »Swing Journal« wurde sie schon bald als eine der besten Vokalistinnen geführt, galt als Inbegriff für stimmlichen Samt. Nur in Europa wollte der große Durchbruch nicht klappen. Und das lag wohl gar nicht mal daran, dass der Jazz eben doch eine Männer-Domäne blieb. Entscheidend war vielmehr der verbreitete Aberglaube, »richtiger« Jazz-Gesang könne - wenn überhaupt - einzig und allein aus den Staaten kommen. Alles andere sei zwangsläufig notdürftiger Abklatsch. Dabei steht gerade Ann Burton wie kaum eine ihrer Kolleginnen in bester Tradition, vor allem zu der von ihr bewunderten Billie Holiday. Jener großen Lady des Jazz also, die wie kaum eine andere für Ausdrucksstärke in der Interpretation steht - abseits von aufgesetzter Virtuosität oder peinlichem Manierismus. Und mit starken Wurzeln im Blues. Qualitäten, die für Ann Burton ebenfalls gelten.
Bleibt die alte Frage, ob »Jazz« überhaupt für den Gesang taugt. Der Tenorsaxophonist Lester Young brachte es einmal auf den Punkt: »Man muss den Text eines Songs kennen und verstehen, um die richtigen Töne und Gefühle zu treffen. Wenn sich Jazz so spielen lässt, dann lässt er sich selbstverständlich ebenso singen. Jedenfalls wusste Young, wovon er sprach. War er doch der bevorzugte Begleiter Billie Holidays. Auch für Ann Burton gilt: »Ich beginne immer mit dem Text, in den muss ich verliebt sein, um Bilder zu sehen, meine eigenen Erfahrungen zu benutzen oder an bekannte Situationen zu denken.«
Man muss allerdings zugeben, sehr zeitgemäß scheint diese Ansicht nicht zu sein. Denn heute geht's doch auch im Jazz zunehmend um reine Virtuosität. Die Gestaltung des Tons steht eindeutig vor der Interpretation des Textes, die Palette der Klangfarben wirkt wichtiger als die der melodischen Ideen. Und das gilt eben auch für die Stimme: Sie soll nicht mehr so sehr jene Gefühle ausdrücken, die zwischen den Worten eines Songs stecken, sondern Akrobatik vorführen. Ganz so, als sei sie eben auch »nur« ein Instrument. Populär sind allenthalben nicht die Sänger, sondern die sogenannten Vokalisten, die ihr geschmeidiges Organ in erster Linie als solistisches Werkzeug verstehen. Eine Vokalistin wie Urszula Dudziak setzt dann völlig konsequent auch Elektronik ein. um das Farbrepertoire ihrer Stimme zu erweitern. Und ein Bobby McFcrrin, der in Konzerten wirklich jeden Resonanzraum seines Körpers aktiviert, kehrt erst in jüngster Zeit wieder zum eigentlichen Song, also zur textbezogenen Interpretation zurück.
Dass im traditionellen Jazz-Gesang die notwendige Freiheit der Gestaltung, die für den Jazz charakteristische Improvisation, keineswegs auf der Strecke bleibt, hat ja vor allem Billie Holiday immer wieder unter Beweis gestellt. Sie löste sich - in ihren letzten Jahren zunehmend radikaler - vom eigentlichen Song, von Melodie, Metrum (vor oder hinter dem Beat) und Rhythmus. Und machte deshalb aus jedem noch so geläufigen Standard immer wieder ein neues Stück.
Wenn man so will: Nur dadurch wird Jazz ja überhaupt »singbar«. Und das beherrscht auch Ann Burton. Mit einem entscheidenden Unterschied freilich:
Während die enttäuschte, ausgenutzte, gebrochene Billie Holiday stets zynisch wurde, wird Ann Burton ironisch. Und doch gibt sie den Songs ganz ähnliche Qualitäten. Sie swingt - und sie ist im besten Sinne »blue«.
Für diese Einspielung aus dem Mai 1981 hat sich Ann Burton zehn Songs der 20er und 30cr Jahre ausgewählt, alle auf bestem Standards-Niveau. Und auf dem spielen auch die Begleitmusiker, die zu dieser Session zusammenkamen. Eine klassische Besetzung mit Klavier, Bass, Schlagzeug und Saxophon.
Die Zusammenstellung der Titel ist durch aus programmatisch. »Meist kann man den Sänger schon an der Auswahl des Repertoires erkennen, vor allem, wenn es ein Jazz-Repertoire ist«, meint die Künstlerin. Der erste Titel, »1 Can't Face The Music (Without Singing The Blues)«, ist da schon mehr als ein persönliches Bekenntnis.
Denn Ann Burton singt dieses Stück wirklich wie einen ruhigen Blues - allerdings mit einer ungewöhnlich klaren, fast strahlenden Stimme. Dafür übernimmt das Saxophon den Part des Sentimentalen: Bobby Malach lässt sein Instrument grunzen und lamentieren. John Clayton dagegen verselbständigt sich mit seinem Bass und summt dazu in einem zunehmend eigenen Rhythmus. In dieser Kombination entstehen viele witzige bis ironische Wendungen. »I'll Be Around« ist eine jener melancholischen Balladen über die Unerschütterlichkeit echter Liebe, mit denen die US-amerikanische Literatur so überaus reich gesegnet ist. Ein Titel übrigens, den auch Glenn Miller, Cab Calloway und Art Kassel oft in ihren Programmen hatten. Und selbst hier schafft Ann Burton wieder einen ganz ungewöhnlichen Kontrast, indem sie selbst eine kühle, in der Stimme herrlich rauchige Souveränität zur Schau trägt, sich aber von ihren Kollegen zart und sehr einfühlsam begleiten lässt. Hervorragend sind dabei die geradezu schmunzelnden Akkord-Tupfer von Rob van Kreeveld.
Als eine Ballade der leisen Töne und sanften, manchmal nur hinge hauchten Worte erscheint »Did I Remember«. Anu Burton und Rob van Kreeveld machen daraus allerdings ein ebenso reibendes wie attraktives Wechselspiel zwischen Stimme und Klavier: Sie verlegt sich auf getragene Melodik und ein freieres Metrum, er setzt rhythmisch scharf akzentuierte Harmonik dagegen. Bobby Malach nimmt mit seinem Saxophon immer wieder die Phrasierungen Ann Burtons auf, setzt sie allerdings ganz anders, nämlich beinahe schmachtend um. Spätestens der vierte Titel dieser Produktion macht dann deutlich, dass Ann Burton auch diese Session in der Dramaturgie geradezu wie ein Konzertprogramm angelegt hat: »Laughing At Life« ist außerordentlich swingend angelegt und bietet - vor allem - viel Raum für Solistisches. Das nutzen die Musiker für kurze, aber sehr intensive Ausflüge. Insbesondere Bobby Malach, der eingangs dieses Titels nur zaghaft im Hintergrund tutet, hat hier seinen großen Einsatz.
In »I Am Blue«, einem verblüffend modern inszenierten Klassiker, lässt sich Ann Burton nur von John Clayton begleiten. Der zieht hier allerdings sämtliche Register. Er steigt mit einem sanft gestrichenen Bass ein, lässt dann die Saiten tüchtig schnalzen, um schließlich - dank Tape-Dubbing - mit sich selbst um die Wette zu streichen und zu zupfen. Das freilich in einer außerordentlichen Mischung aus Feeling und Akkuratesse.
Mit einem gestrichenen Bass lässt sich Ann Burton zunächst auch in »I Wished On The Moon« unterstützen, einem Titel übrigens, den auch Billie Holiday im Repertoire hatte. Dann übernimmt das Klavier die Begleitung und sorgt plötzlich für eine völlig andere Atmosphäre: was eingangs eher bedrückt bis düster wirkte, fließt nun ganz locker dahin. Im Mittelteil setzt wiederum Bobby Malach zum großen Atem an, reißt seine Kollegen nach allen Regeln der Kunst mit. Rob van Kreeveld bleibt die Aufgabe, neuerlich für eine etwas moderate Stimmung zu sorgen, so dass Ann Burton wieder bruchlos einsteigen kann.
Die pfiffige Dramaturgie lässt mit »I Don't Want To Cry Anymore« eine Ballade über »nächtliche« Gedanken folgen. Da müssen sich die Instrumentalisten deutlich zurücknehmen und eine Hintergrundstimmung zaubern, in der Ann Burton nun wirklich allen Samt ihrer Stimme ausbreiten kann - nicht ohne über ihre liebenswerte Sentimentalität innerlich (und dennoch hörbar) auch ein wenig zu lächeln.
»On The Sentimental Side« weckt geradezu Erinnerungen an »Casablanca«. Rob van Kreeveld begleitet im besten »Stride«-Stil, lässt also in der linken Hand den Basston ständig mit dem Akkord wechseln. Und auch in der Struktur orientiert sich dieser Titel wunderschön am Nightclub-Swing der 30er Jahre: Im Mittelteil legt Rob van Kreeveld ein Solo hin, das eines Fats Wallers würdig wäre.
Eine Komposition von Hoagy Carmichael schließt sich an. »I Get Along Without You« wird hier herrlich selbstironisch in Szene gesetzt. Dazu gehört, dass sich die Musiker bis ins Detail an populären Eigenheiten des Swing orientieren: Auch der Schlagzeuger darf zwischendurch Solistisches einlegen. Wie allerdings Bobby Malach das Thema zum Schluss aus- und endlich ins Hymnische umdeutet, ist mehr als hörenswert.
In den gesamten dramaturgischen Ablauf passt zum Abschluss ein Titel, den wohl Billie Holiday kaum anders interpretiert hätte: melancholisch und mit jener typischen Spur Hoffnungslosigkeit kommt »I Am A Fool« daher. Auch Bobby Malach spielt sich die Seele heraus - ganz so, als säße er in einer langen Spätsommernacht auf dem Dach, um den Mond anzusingen.
Wer den Titel dieser Produktion wortgetreu als Frage versteht, hat hier längst die Antwort: Natürlich ist Ann Burton »blue«. Und sie setzt dieses Empfinden nicht als musikalische Funktion ein, sondern - in bester Tradition - als Qualität, mit der sie ihre Songs adelt. Leider hat man das bis heute in Europa viel zu selten erkannt.
- Tracklisting
Disk 1 von 1 (CD)
- 1 Can't Face The Music
- 2 I'll Be Around
- 3 Did I Remember
- 4 Laughing At Life
- 5 Am I Blue
- 6 I Wished On The Moon
- 7 I Don't Want To Cry Anymore
- 8 On The Sentimental Side
- 9 I Get Along Without You
- 10 I Am A Fool
Ann Burton (1933-1989)
Am I Blue
EUR 8,99**
EUR 7,99*