Stanislaw Moniuszko: Halka (Oper in 4 Akten)
Halka (Oper in 4 Akten)
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CDs
CD (Compact Disc)
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- Specials: Mit einer Einführung von Ingo Harden und neuer deutscher Textfassung von Geerd Heinsen; 108 Seiten Text / Libretto
- Künstler: Zagorzanka, Hiolski, Ochman, Ostapiuk, Racewicz, Chor und Orchester des Teatr Wielki Warschau, Robert Satanowski
- Label: CPO, DDD, 1987
- Bestellnummer: 5362385
- Erscheinungstermin: 9.11.2006
Im Sommer 1846 kam der 27jährige Wilnaer Organist Stanislaw Moniuszko nach Warschau, um dort die Premiere seines Singspiels ,,Loteria" (Die Lotterie) vorzubereiten. Es war die fünfte ,,Operette" des jungen Polen, und er hatte
sie schon vier Jahre in der Schublade liegen gehabt, bevor sich die Gelegenheit bot, sie in der Hauptstadt aufzuführen.
Moniuszko war am 5. Mai 1819 in Ubiel im Gouvernement Minsk als Sohn eines Gutsbesitzers geboren. Er hatte seinen ersten Musikunterricht erhalten, als die Familie 1827 für kurze Zeit nach Warschau übersiedelte. Später setzte er seine Ausbildung in Minsk fort und fuhr 1837 nach Berlin zu Carl Friedrich Rungenhagen, dem damaligen Leiter der Singakademie, um bei ihm Komposition zu studieren. 1840 kehrte Moniuszko nach Polen zurück, nahm eine Stellung als Organist an der St.-Jan-Kirche im litauischen Wilna an, gab Klavierstunden und bemühte sich, durch die Komposition von Liedern, Kammermusik, einer Messe und kleinen Bühnenwerken einen Namen zu bekommen.
Die Reise nach Warschau brachte Moniuszko neben der erfolgreichen Erstaufführung seines Einakters am 12. November 1846 eine Reihe wertvoller Begegnungen mit Künstlern derHauptstadt, so den Musikern lgnacy Dobrzynski, Otto Kolberg und Jozef Sikorski oder dem jungen Dichter Wlodzimierz Wolski. Der22jährige Wolski hatte kurz zuvor seine Versdichtung ,,Halka" geschrieben, in der er dieGeschichte eines jungen Bauernmädchens erzählt, das einen Adligen liebt, von ihm ein Kind erwartet, sich aber verzweifelt ertränkt, als ihr Geliebter sie hintergeht und eine ,,standesgemäße" Ehe mit der Tochter des königlichen Truchseß' eingeht.
Moniuszko ließ sich von Wolski den ,,Entwurf eines Librettos" geben und begann ihn nach seiner Rückkehr aus Warschau als zweiaktige Oper einzurichten und zu vertonen. lm Mai 1847 lag der Klavierauszug der ,,Halka" fertig vor, zwei Monate später schickte Moniuszko die ausgearbeitete Partitur an das Warschauer Theater. Die neue Oper wurde ohne Zögern angenommen, die Uraufführung schon für Ende des Jahres ins Auge gefasst, dann aber ohne Angabe von Gründen auf die lange Bank geschoben. Erst zehn Jahre später griff die Theaterdirektion auf das Werk zurück und ließ es einstudieren. Inzwischen hatte Moniuszko die zweiaktige ,,Halka" in Wilna bereits zur Probe aufgeführt, zunächst, nämlich am ersten Januar 1848, konzertant mit Laienkräften, dann, am 28. Februar 1854, in szenischer Form im Wilnaer Theater. Als er im Frühjahr 1857 von den Vorbereitungen zur Warschauer Erstaufführung erfuhr, entschloss er sich zu einer gründlichen Überarbeitung. Denn, so schrieb der jetzt 38jährige Komponist an einen Freund: ,,Zehn Jahre unaufhörlicher eifriger Studien haben meine Erfahrung so weit vertieft, dass ich, als ich diese Oper durchblätterte, es notwendig fand, sie vollständig umzuarbeiten." In einer erweiterten vieraktigen Form ging die ,,Halka" dann am Neujahrstag des Jahres 1858 zum ersten mal über die Bühne des Warschauer Großen Theaters.
Der Erfolg beim Publikum und in der Öffentlichkeit war gewaltig. Moniuszkos Oper wurde gefeiert als ein Werk, dessen ,,künstlerischer Wert alles überragt, was wir bisher in unserer nationalen Musik besessen haben". lhr Schöpfer galt nun plötzlich als der bedeutendste Komponist Polens nach Fr6d6ric Chopin, der neun Jahre zuvor in seinem Pariser Exil gestorben war. Noch im selben Jahr wurde Moniuszko die Leitung der Warschauer Oper übertragen, und dank eines Benefizkonzerts zu seinen Gunsten konnte er sich den lang gehegten Wunsch erfüllen, in einer ausgedehnten Auslandsreise einige der berühmten Musiker jener Jahre - so Franz Liszt in Weimar und Bedrich Smetana in Prag - kennenzulernen. In der deutschen ,,Allgemeinen Zeitung für Musik" fasste der junge Hans von Bülow, frisch ernannter preußischer Hofpianist, seinen Bericht über Moniuszko und seine Oper ein einem Satz zusammen: ,,Man kann der polnischen Nation mit gutem Fug zu ihrem gegenwärtigen Liebling gratulieren..." Erfolg und Wirkung der ,,Halka" und die Bedeutung Moniuszkos als erster Vertreter einer polnischen Nationaloper sind nicht völlig zu verstehen ohne einen Blick auf die sozialen und politischen Verhältnisse im damaligen Polen.
Das einst mächtige und ausgedehnte König- 'eich war im Laufe des 18. Jahrhunderts so ohnrächtig geworden, dass die Nachbarstaaten Russland, Preußen und Österreich es in den drei Polnischen Teilungen von 1772, 1793 und 1795 Zug um Zug unter sich aufteilten. Nach den napoleonischen Kriegen wurde die frühere Adelsrepublik als ,,Kongress-Polen" zwar wiederbelebt - aber nur als ein territorial reduziertes Königreich, das in Personalunion vom russischen Zaren mit regiert wurde. Das Fehlen nationaler Souveränität und Freiheit führte, angespornt durch die Pariser Juli-Revolution und den Aufstand in Brüssel, im November 1830 zu einer nationalen Erhebung, die im September des folgenden Jahres mit der Besetzung Warschaus durch russische Truppen erstickt wurde.
Der 21jährige Chopin, auf dem Weg nach Paris, schrieb damals unter dem Eindruck dieses Ereignisses in Stuttgart wohl seine ,,Revolutionsetude", Moniuszko erlebte die Niederschlagung des Aufstands als Zwölfjähriger an Ort und Stelle mit. Er war auch Zeuge der vielen kleineren und größeren Unruhen, die in den folgenden Jahren das Land erschütterten und sich nicht nur gegen die ,,Besatzer" richteten, sondern ebenso gegen den oft brutal feudalistischen Herrschaftsstil des polnischen Adels, der zu einem nicht geringen Teil mit den Russen kooperierte. Erst im Januar 1846 hatte ein Aufstand in Krakau die Wut gegen die Bedrücker erneut geschürt.
Wolskis Geschichte der Halka war also damals höchst aktuell, und sie wurde zusätzlich aktualisiert dadurch, dass zwar die Handlung auf die Zeit ,,um 1700" 2urückverlegt ist, jedoch im Unterschied zur ursprünglichen Erzählung jetzt im unruhigen galizischen Teil Polens, unter den Goralen, spielt. Dass ein solches Libretto überhaupt die Zensur passieren und über die Bühne gehen konnte, war erst möglich, nachdem Zar Alexander ll. sich 1856 entschlossen hatte, den Polen gegenüber auf eine entgegenkommendere Politik einzuschwenken, um sie zu besänftigen. Es erklärt zugleich die mächtige Wirkung der ,,Halka".
Aber auch die Vertonung selber trug dazu bei, Moniuszko als ,,Schöpfer der polnischen Nationaloper" nun eine ähnliche Stellung einzuräumen, wie sie in Deutschland Carl Maria von Weber durch seinen ,,Freischütz" von 1821 und in Russland Michail Glinka durch den "lwan Sussanin" von 1836 besaßen - und wie sie ab 1866 Bedrich Smetana durch seine ,,Verkaufte Braut" für die Tschechen besitzen sollte. Opern in polnischer Sprache gab es schon lange: 1778 kam das erste Werk dieser Art, ein Vaudeville mit dem Titel ,,Beglückte Not" und der Musik von Maciej Kamienski auf die Bühne des kurz zuvor gegründeten Nationaltheaters. Von ihr und einer langen Reihe von Nachfolgewerken unterschied sich die achtzig Jahre jüngere ,,Halka" dadurch, dass sie zum ersten mal nicht die Form des mit gesprochenen Dialogen durchsetzten Singspiels benutzt, sondern als Große Oper durchkomponiert ist.
Nicht viel anders steht es um die Verwendung folkloristischen Musikguts: Die charakteristische polnische Volks- und Tanzmusik, deren ,,barbarische Schönheit" schon ein Telemann rühmte, und vor allem die rassigen Rhythmen der aristokratischen Polonaise waren seit den Tagen der Wiener Klassik durch Komponisten wie Michal Kleofas Oginiski, Karol Lipiriski, Franciszek Lessel oder Joseph Elsner zu einem festen Bestandteil der Kunstmusik geworden. Die Kunst eines Frederic Chopin wurzelt, wie schon die frühesten Kompositionen des Wunderkindes zeigen, ganz und gar in der Musik seiner Heimat.
Moniuszko empfand sich ähnlich als ein Musiker, der nur aufnahm und weitergab, was er um sich herum von Kindheit an gehört hatte. ,,lch schaffe nichts Neues. lch wandere durch das polnische Land und lasse mich vom Geist der Volkslieder inspirieren. Die liegen allen meinen Werken zugrunde", äußerte er nach dem Erfolg der ,,Halka" einmal über sein Schaffen. Ganz sicher besaß er nicht das kompositorische Genie eines Chopin, der von Anfang an eine unverwechselbar eigene Handschrift besaß und auch folkloristisches Material mit einer ungewöhnlichen Kraft der Anverwandlung in eine persönliche Aussage umzuformen vermochte. Moniuszko war sich dessen nur allzu gut bewusst und wies bescheiden und uneitel alle Vergleiche mit dem neun Jahre älteren Landsmann zurück: ,,Wenn jemand so dumm ist, dass er sich nach dem Tode Chopins mit mir tröstet", schrieb er, ,,so ist dies nicht meine Schuld. lch habe mich nie mit irgendeiner europäischen Berühmtheit gleichgestellt, und schon gar nicht mit Chopin, den ich über alles verehre..."
Tatsächlich klingen gerade diejenigen Partien der ,,Halka", die dem Werk ihr polnisches Lokalkolorit geben, weitaus typischer, konventioneller als etwa die großen Polonaisen und Mazurken, die Chopin in den 1830er Jahren in Frankreich komponiert hatte. Polonaise und Mazurka, die den ersten Akt einrahmen, das Lied der Halka und die ,,Goralentänze" erinnern an die schlichtere Übernahme polnischer Melodien, wie Chopin sie in seinen frühen Konzertstücken praktizierte. Mitunter ist Moniuszko auch angelastet worden, dass seine ,,Halka" in Ton und Instrumentation das Vorbild der italienischen und französischen Opern der 30er und 40er Jahre des 19. Jahrhunderts deutlicher durchscheinen lassen, als es der Geschichte aus der polnischen Provinz angemessen ist. Aber steht es um Rossinis ,,Wilhelm Tell", Verdis,, Luisa MiIler" oder Donizettis,,Maria Stuarda" besser? Unbestritten war dagegen immer die lyrische Intensität der großen Arien, vor allem der ,,Lerchenarie" Halkas und der Arie des Jontek im zweiten Akt, und die zwingende Kraft, mit der die Handlung geradlinig, in der Art einer dramatischen Ballade auf vordergründige Effekte ebenso verzichtend wie auf ablaufhemmende Verweilstellen, durchgeführt ist.
Moniuszko komponierte nach dem Erfolg der ,,Halka" eine Reihe weiterer Opern. Noch im Jahre 1858 wurde der Einakter ,,Flis" (Der Flö- Ber) uraufgeführt, 1860 folgte ,,Hrabina" (Die Gräfin); die Premiere von ,,straszny Dwör" (Das Gespensterschloß) 1865, zwei Jahre nach dem Aufstand vom Januar 1863, wurde zu einer patriotischen Demonstration.
Doch die Popularität der ,,Halka',, die auch im Ausland bald nachgespielt wurde (1866 zuerst in Prag, 1870 in Petersburg und Moskau, 1892 in Wien, 1905 in Mailand)erreichte keines der Nachfolgewerke. Dem Ruf Moniuszkos als Schöpfer der polnischen Nationaloper tat dies keinen Abbruch. Als er am 4. Juni 1872 starb, gab seinem Sarg eine riesige Menschenmenge - zeitgenössische Berichte sprechen von 60000 bis 80000 Personen - das Geleit.
Ingo Harden
Moniuszko war am 5. Mai 1819 in Ubiel im Gouvernement Minsk als Sohn eines Gutsbesitzers geboren. Er hatte seinen ersten Musikunterricht erhalten, als die Familie 1827 für kurze Zeit nach Warschau übersiedelte. Später setzte er seine Ausbildung in Minsk fort und fuhr 1837 nach Berlin zu Carl Friedrich Rungenhagen, dem damaligen Leiter der Singakademie, um bei ihm Komposition zu studieren. 1840 kehrte Moniuszko nach Polen zurück, nahm eine Stellung als Organist an der St.-Jan-Kirche im litauischen Wilna an, gab Klavierstunden und bemühte sich, durch die Komposition von Liedern, Kammermusik, einer Messe und kleinen Bühnenwerken einen Namen zu bekommen.
Die Reise nach Warschau brachte Moniuszko neben der erfolgreichen Erstaufführung seines Einakters am 12. November 1846 eine Reihe wertvoller Begegnungen mit Künstlern derHauptstadt, so den Musikern lgnacy Dobrzynski, Otto Kolberg und Jozef Sikorski oder dem jungen Dichter Wlodzimierz Wolski. Der22jährige Wolski hatte kurz zuvor seine Versdichtung ,,Halka" geschrieben, in der er dieGeschichte eines jungen Bauernmädchens erzählt, das einen Adligen liebt, von ihm ein Kind erwartet, sich aber verzweifelt ertränkt, als ihr Geliebter sie hintergeht und eine ,,standesgemäße" Ehe mit der Tochter des königlichen Truchseß' eingeht.
Moniuszko ließ sich von Wolski den ,,Entwurf eines Librettos" geben und begann ihn nach seiner Rückkehr aus Warschau als zweiaktige Oper einzurichten und zu vertonen. lm Mai 1847 lag der Klavierauszug der ,,Halka" fertig vor, zwei Monate später schickte Moniuszko die ausgearbeitete Partitur an das Warschauer Theater. Die neue Oper wurde ohne Zögern angenommen, die Uraufführung schon für Ende des Jahres ins Auge gefasst, dann aber ohne Angabe von Gründen auf die lange Bank geschoben. Erst zehn Jahre später griff die Theaterdirektion auf das Werk zurück und ließ es einstudieren. Inzwischen hatte Moniuszko die zweiaktige ,,Halka" in Wilna bereits zur Probe aufgeführt, zunächst, nämlich am ersten Januar 1848, konzertant mit Laienkräften, dann, am 28. Februar 1854, in szenischer Form im Wilnaer Theater. Als er im Frühjahr 1857 von den Vorbereitungen zur Warschauer Erstaufführung erfuhr, entschloss er sich zu einer gründlichen Überarbeitung. Denn, so schrieb der jetzt 38jährige Komponist an einen Freund: ,,Zehn Jahre unaufhörlicher eifriger Studien haben meine Erfahrung so weit vertieft, dass ich, als ich diese Oper durchblätterte, es notwendig fand, sie vollständig umzuarbeiten." In einer erweiterten vieraktigen Form ging die ,,Halka" dann am Neujahrstag des Jahres 1858 zum ersten mal über die Bühne des Warschauer Großen Theaters.
Der Erfolg beim Publikum und in der Öffentlichkeit war gewaltig. Moniuszkos Oper wurde gefeiert als ein Werk, dessen ,,künstlerischer Wert alles überragt, was wir bisher in unserer nationalen Musik besessen haben". lhr Schöpfer galt nun plötzlich als der bedeutendste Komponist Polens nach Fr6d6ric Chopin, der neun Jahre zuvor in seinem Pariser Exil gestorben war. Noch im selben Jahr wurde Moniuszko die Leitung der Warschauer Oper übertragen, und dank eines Benefizkonzerts zu seinen Gunsten konnte er sich den lang gehegten Wunsch erfüllen, in einer ausgedehnten Auslandsreise einige der berühmten Musiker jener Jahre - so Franz Liszt in Weimar und Bedrich Smetana in Prag - kennenzulernen. In der deutschen ,,Allgemeinen Zeitung für Musik" fasste der junge Hans von Bülow, frisch ernannter preußischer Hofpianist, seinen Bericht über Moniuszko und seine Oper ein einem Satz zusammen: ,,Man kann der polnischen Nation mit gutem Fug zu ihrem gegenwärtigen Liebling gratulieren..." Erfolg und Wirkung der ,,Halka" und die Bedeutung Moniuszkos als erster Vertreter einer polnischen Nationaloper sind nicht völlig zu verstehen ohne einen Blick auf die sozialen und politischen Verhältnisse im damaligen Polen.
Das einst mächtige und ausgedehnte König- 'eich war im Laufe des 18. Jahrhunderts so ohnrächtig geworden, dass die Nachbarstaaten Russland, Preußen und Österreich es in den drei Polnischen Teilungen von 1772, 1793 und 1795 Zug um Zug unter sich aufteilten. Nach den napoleonischen Kriegen wurde die frühere Adelsrepublik als ,,Kongress-Polen" zwar wiederbelebt - aber nur als ein territorial reduziertes Königreich, das in Personalunion vom russischen Zaren mit regiert wurde. Das Fehlen nationaler Souveränität und Freiheit führte, angespornt durch die Pariser Juli-Revolution und den Aufstand in Brüssel, im November 1830 zu einer nationalen Erhebung, die im September des folgenden Jahres mit der Besetzung Warschaus durch russische Truppen erstickt wurde.
Der 21jährige Chopin, auf dem Weg nach Paris, schrieb damals unter dem Eindruck dieses Ereignisses in Stuttgart wohl seine ,,Revolutionsetude", Moniuszko erlebte die Niederschlagung des Aufstands als Zwölfjähriger an Ort und Stelle mit. Er war auch Zeuge der vielen kleineren und größeren Unruhen, die in den folgenden Jahren das Land erschütterten und sich nicht nur gegen die ,,Besatzer" richteten, sondern ebenso gegen den oft brutal feudalistischen Herrschaftsstil des polnischen Adels, der zu einem nicht geringen Teil mit den Russen kooperierte. Erst im Januar 1846 hatte ein Aufstand in Krakau die Wut gegen die Bedrücker erneut geschürt.
Wolskis Geschichte der Halka war also damals höchst aktuell, und sie wurde zusätzlich aktualisiert dadurch, dass zwar die Handlung auf die Zeit ,,um 1700" 2urückverlegt ist, jedoch im Unterschied zur ursprünglichen Erzählung jetzt im unruhigen galizischen Teil Polens, unter den Goralen, spielt. Dass ein solches Libretto überhaupt die Zensur passieren und über die Bühne gehen konnte, war erst möglich, nachdem Zar Alexander ll. sich 1856 entschlossen hatte, den Polen gegenüber auf eine entgegenkommendere Politik einzuschwenken, um sie zu besänftigen. Es erklärt zugleich die mächtige Wirkung der ,,Halka".
Aber auch die Vertonung selber trug dazu bei, Moniuszko als ,,Schöpfer der polnischen Nationaloper" nun eine ähnliche Stellung einzuräumen, wie sie in Deutschland Carl Maria von Weber durch seinen ,,Freischütz" von 1821 und in Russland Michail Glinka durch den "lwan Sussanin" von 1836 besaßen - und wie sie ab 1866 Bedrich Smetana durch seine ,,Verkaufte Braut" für die Tschechen besitzen sollte. Opern in polnischer Sprache gab es schon lange: 1778 kam das erste Werk dieser Art, ein Vaudeville mit dem Titel ,,Beglückte Not" und der Musik von Maciej Kamienski auf die Bühne des kurz zuvor gegründeten Nationaltheaters. Von ihr und einer langen Reihe von Nachfolgewerken unterschied sich die achtzig Jahre jüngere ,,Halka" dadurch, dass sie zum ersten mal nicht die Form des mit gesprochenen Dialogen durchsetzten Singspiels benutzt, sondern als Große Oper durchkomponiert ist.
Nicht viel anders steht es um die Verwendung folkloristischen Musikguts: Die charakteristische polnische Volks- und Tanzmusik, deren ,,barbarische Schönheit" schon ein Telemann rühmte, und vor allem die rassigen Rhythmen der aristokratischen Polonaise waren seit den Tagen der Wiener Klassik durch Komponisten wie Michal Kleofas Oginiski, Karol Lipiriski, Franciszek Lessel oder Joseph Elsner zu einem festen Bestandteil der Kunstmusik geworden. Die Kunst eines Frederic Chopin wurzelt, wie schon die frühesten Kompositionen des Wunderkindes zeigen, ganz und gar in der Musik seiner Heimat.
Moniuszko empfand sich ähnlich als ein Musiker, der nur aufnahm und weitergab, was er um sich herum von Kindheit an gehört hatte. ,,lch schaffe nichts Neues. lch wandere durch das polnische Land und lasse mich vom Geist der Volkslieder inspirieren. Die liegen allen meinen Werken zugrunde", äußerte er nach dem Erfolg der ,,Halka" einmal über sein Schaffen. Ganz sicher besaß er nicht das kompositorische Genie eines Chopin, der von Anfang an eine unverwechselbar eigene Handschrift besaß und auch folkloristisches Material mit einer ungewöhnlichen Kraft der Anverwandlung in eine persönliche Aussage umzuformen vermochte. Moniuszko war sich dessen nur allzu gut bewusst und wies bescheiden und uneitel alle Vergleiche mit dem neun Jahre älteren Landsmann zurück: ,,Wenn jemand so dumm ist, dass er sich nach dem Tode Chopins mit mir tröstet", schrieb er, ,,so ist dies nicht meine Schuld. lch habe mich nie mit irgendeiner europäischen Berühmtheit gleichgestellt, und schon gar nicht mit Chopin, den ich über alles verehre..."
Tatsächlich klingen gerade diejenigen Partien der ,,Halka", die dem Werk ihr polnisches Lokalkolorit geben, weitaus typischer, konventioneller als etwa die großen Polonaisen und Mazurken, die Chopin in den 1830er Jahren in Frankreich komponiert hatte. Polonaise und Mazurka, die den ersten Akt einrahmen, das Lied der Halka und die ,,Goralentänze" erinnern an die schlichtere Übernahme polnischer Melodien, wie Chopin sie in seinen frühen Konzertstücken praktizierte. Mitunter ist Moniuszko auch angelastet worden, dass seine ,,Halka" in Ton und Instrumentation das Vorbild der italienischen und französischen Opern der 30er und 40er Jahre des 19. Jahrhunderts deutlicher durchscheinen lassen, als es der Geschichte aus der polnischen Provinz angemessen ist. Aber steht es um Rossinis ,,Wilhelm Tell", Verdis,, Luisa MiIler" oder Donizettis,,Maria Stuarda" besser? Unbestritten war dagegen immer die lyrische Intensität der großen Arien, vor allem der ,,Lerchenarie" Halkas und der Arie des Jontek im zweiten Akt, und die zwingende Kraft, mit der die Handlung geradlinig, in der Art einer dramatischen Ballade auf vordergründige Effekte ebenso verzichtend wie auf ablaufhemmende Verweilstellen, durchgeführt ist.
Moniuszko komponierte nach dem Erfolg der ,,Halka" eine Reihe weiterer Opern. Noch im Jahre 1858 wurde der Einakter ,,Flis" (Der Flö- Ber) uraufgeführt, 1860 folgte ,,Hrabina" (Die Gräfin); die Premiere von ,,straszny Dwör" (Das Gespensterschloß) 1865, zwei Jahre nach dem Aufstand vom Januar 1863, wurde zu einer patriotischen Demonstration.
Doch die Popularität der ,,Halka',, die auch im Ausland bald nachgespielt wurde (1866 zuerst in Prag, 1870 in Petersburg und Moskau, 1892 in Wien, 1905 in Mailand)erreichte keines der Nachfolgewerke. Dem Ruf Moniuszkos als Schöpfer der polnischen Nationaloper tat dies keinen Abbruch. Als er am 4. Juni 1872 starb, gab seinem Sarg eine riesige Menschenmenge - zeitgenössische Berichte sprechen von 60000 bis 80000 Personen - das Geleit.
Ingo Harden
Rezensionen
R.Wagner in 'Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt' v. 13.9.87:"Für uns ist Stanislaw Moniuszko allenfalls ein (Nach-)Schlagwort aus dem Musiklexikon. ..Dass aber das komplette Schicksal der bedauernswerten Halka kennenswert ist, belegt jetzt eine polnische Produktion,die der rührige jpc-Plattenvertrieb soeben verlegt. Es handelt sich dabei um einen Konzertmitschnitt einer Produktion des Teatr Wielki in Warschau, was man vorzugsweise am Szenenapplaus merkt, denn die Klangqualität ist beachtlich. ..Robert Satanowski hat die Farbigkeit und die Gefühlspannweite wirkungsvoll entfaltet.Auch wenn hierzulande wohl vorzugsweise Wieslaw Ochman bekannt ist, gebührt den anderen Solisten nicht weniger Ehre."S.Lauter in orpheus 10/87:"Nach längerer Zeit liegt nun wieder - als Ergebnis einer erfreulichen und erfolgreichen Co-Produktion zwischen der dynamischen Osnabrücker Firma CPO (jpc- eigenes Label) und dem Teatr Wielki Warschau - eine 'Halka' auf Platten vor. ..Technisch gewinnt der Klang enorm durch die CDs, zeigt ein warmes und volles Bild bei einer gewissen Zurückgenommenheit der Spontaneität. Robert Satanowski dirigiert sehr zügig, namentlich in Ouvertüre und den tänzerischen Einlagen, schafft den Motiven breiten Raum und treibt die Chöre zu Höchstleistungen an. ..singen die Solisten in der 4-Akt-Fassung von mitreißendem Engagement. Namentlich Wieslaw Ochman als zerquälter Jontek strahlt da über allem mit seiner bewundernswert frischen Stimme."
U. Schreiber in stereoplay 12/87:"...agieren Soli,Chor und Orchester mit Engagement und Präzision. Da kommt die Spannung der Oper zwischen Idylle und Rebellion gut zur Wirkung. Am Ende entpuppt sie sich als veritables Meisterwerk."
New York Times vom 7.2.88:"Oper als Ruf nach Freiheit."
- Tracklisting
- Details
- Mitwirkende
Disk 1 von 2 (CD)
Halka (Oper in 4 Akten) (Gesamtaufnahme)
- 1 Ouvertüre
- 2 Polonaise (1. Akt)
- 3 Terzett
- 4 Rezitativ und Lied des Janusz
- 5 Lied der Halka und Duett
- 6 Chor und Arie des Stolnik
- 7 Mazurka
- 8 Vorspiel (2. Akt)
- 9 Rezitativ und Arie der Halka
- 10 Halka - Jontek
- 11 Finale - Duett - Finale
Disk 2 von 2 (CD)
- 1 Vorspiel (3. Akt)
- 2 Chor
- 3 Goralentänze
- 4 Chor
- 5 Finale
- 6 Vorspiel (4. Akt)
- 7 Sextett mit Chor
- 8 Duett Halka und Jantek
- 9 Gebet
- 10 Rezitativ und Kavatine
- 11 Finale
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Halka (Oper in 4 Akten)
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