Ferruccio Busoni: Klavierkonzert op.39
Klavierkonzert op.39
CD
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- Künstler: Banfield, Bayerisches RSO & Chor, Herbig
- Label: CPO, AAD, 1986
- Bestellnummer: 5063475
- Erscheinungstermin: 9.11.2006
- Gesamtverkaufsrang: 4955
- Verkaufsrang in CDs: 2452
Um die Jahrhundertwende ein Europäer
zu sein, brauchte es inmitten eines in Nationalismen
erstarrten Europa mehr als
nur mutige Toleranz: es brauchte jene
kosmopolitische Disposition von Geburt
und Erziehung an, wie sie Ferruccio
Busoni (1866-1924) auf natürlichste
Weise mitbrachte. Sohn einer deutschen
Pianistin und eines italienischen Klarinettisten,
Ehemann einer schwedischen
Frau, Lehrer in Finnland, Österreich,
Russland, Deutschland, Italien; Solist in
den USA, Bürger in Berlin und (während
des 1. Weltkriegs) in Zürich - das Bild
dieses hochgebildeten, vielsprachigen
Europäers ist sozusagen ohne Grenzen,
und es ist bezeichnend, dass Busoni
seinen Standort in Berlin wählte: nicht im
Berlin des kleinkarierten politischen Wilhelminismus,
sondern 'im Berlin als
einem Schmelztiegel der intellektuellen
und künstlerischen Individualitäten. ln
den Jahren 1902 bis 1909 macht Busoni
hier - über seine glänzende Rolle als
weltbekannter Pianist und als hochgeschätzter
Lehrer hinaus - als künstlerischer
Leiter von symphonischen Konzerten
auf sich aufmerksam, deren kühne
Programmstrukturen, durch die Brille von
heute gelesen, wahrhaft bahnbrechend
sind. Genauer: nicht auf sich machte er mit diesen Konzerten aufmerksam,
sondern auf Komponisten seiner Zeit,
denen er ohne Rücksicht auf Mode und
träge Publikums-Präferenzen ein nachdrückliches
Forum verschaffte: Delius,
Debussy, d'lndy, Schenker, Nielsen,
Bartók, Pfitzner, Sibelius Ysaye, Faure,
Franck, Liszt, um nur einige Namen zu
nennen. Diese kompromisslos künstlerisch
konzipierten Programme müsste
man nicht nur eine frühe Form der
"Musica nova"-Konzerte nennen; sie
waren im gleichen Atemzug ein klingender
Ausweis von Busonis europäischer
Gesinnung und von einer Weiträumigkeit
seines humanistisch geprägten Weltbildes,
darin sich. traditionelle Bindung mit
naivem Utopie-Überschuss wie selbstverständlich
umschlungen hielten: mit dem
sicheren Gespür für moderne Innovation
hatte dieser ästhetische Weltbürger
ebenso wenig Probleme wie mit überlieferter
kultureller Tradition, die er - J. S.
Bach allen voran - als ein Erbe verstand
(nicht, wie Hindemith, als "verpflichten- des", sondern als faszinierendes, das
macht einen gehörigen Unterschied).
Diese perspektivische Doppelung prägt
als ein Grundmuster des Denkens und
Handels das Leben Busonis, seine Tätigkeit
als Pianist, als Dirigent, als Lehrer
und natürlich als Komponist respektive
als Bearbeiter. Und selbstverständlich
finden wir sie im Klavierkonzert op. 39
wieder, wie noch zu zeigen sein wird.
Zurück nach Berlin in die Jahre der symphonischen
Konzerte, zurück in
-die
ersten Jahre des jungen 20.Jahrhunderts:
am 10. November 1904 stehen auf
dem Programm Mozarts Ouvertüre zu
"Entführung aus dem Serail" (als Konzertbearbeitung
durch Busoni), Ottokar
Novaceks "Hymnus" und die Uraufführung
des Busoni-Klavierkonzerts : Busoni
spiel den Solopart, Karl Muck dirigiert.
Die Reaktion des Publikums: Betroffenheit,
partieller Jubel, ratlose Verlegenheit., bissiger Protest. Wir werden gleich
erfahren, wie und warum. Bleiben wir
einen Augenblick noch im Allgemeinen.
Dass Busoni ein glänzender Pianist war, dass er mit nahezu regloser Haltung am Klavier eine ebenmäßige, unaufdringliche, transparente und singende Anschlagskultur hörbar machte, ist einhellig durch Zeitgenossen belegt; deswegen hatte der Pianist Busoni ein Repertoire in petto, welches an Reichtum und stilistischer Breite heutzutage schlicht unvorstellbar wäre; der Biograph Edward J. Dent braucht in seinem Buch "Ferruccio Busoni" (London 1974) sage und schreibe 15 eng gesetzte Druckseiten, um es aufzulisten: Liszt neben Rubinstein, Schubert neben Bach, Saint-Saens neben Mendelssohn, Mozart neben Hummel, Chopin neben Brahms, Goldmark neben Beethoven, Alkan neben Scarlatti - einmal mehr entsteht das Bild eines Künstlers, dem spezialisierte Enge fremd war, der einen Musikbegriff hatte, wo Historie ebenso zur gegenwärtigen Kultur zählte wie das aktuelle Oeuvre an der Schwelle zum 20.Jahrhundert. Kein Wunder also, wenn wir den groß gespannten stilistischen Bogen auch im Klavierkonzert op. 39 wiederfinden, wobei wir uns auch nicht darüber wundern, dass der komponierende Pianist Busoni ein Klavierkonzert von beträchtlichen Ausmaßen und von noch beträchtlicherem Schwierigkeitsgrad auf Notenpapier bringt; allenfalls bleibt verwunderlich, dass er es bei einem einzigen Konzert bewenden ließ - war damit innerhalb dieses Gattungsrahmens alles gesagt und gelöst?
Schon bei flüchtiger Begegnung wird klar, wie wenig es Busoni, allen virtuosen Vertracktheiten zum Trotz, darum ging, mit diesem Klavierkonzert sich und seinen brillanten pianistischen Fähigkeiten eine selbstkomponierte Plattform zu bauen; weder hatte er sie nötig, noch war sie ihm, dem Virtuosen wider Willen, wichtig (darin dem Franz Liszt der zweiten Lebenshälfte sehr ähnlich). Nein, dieses Konzert missversteht man gründlich, sofern man es mit jener anderen Kategorie eines Rachmaninow- Konzerts vergleichen würde, obwohl es dieses mit pianistischen Problemen noch überbietet. Strukturell ist das Busoni- Konzert dem B-Dur-Konzert von Johannes Brahms verwandt;wie dieses weicht es von der üblichen Dreisätzigkeit ab und verwebt den Klaviersolo-Part in das symphonische Netzwerk von thematisch-motivischen Verflechtungen. Das Orchester ist nicht, wie im Modell des Virtuosen- Konzerts, der bescheidene Begleiter für die solistische Akrobatik, sondern das Soloklavier zieht sich in die Rolle des reflexiven Kommentators zurück.
Es hat den Anschein, als spiegele das Klavierkonzert ein pianistisches Grundverständnis von Busoni wider: das Selbstbildnis eines Künstlers, in dem sich außergewöhnliche manuelle Fertigkeiten mit ebenso außergewöhnlichen Bescheidenheiten paaren.
In der Tat zieht sich diese merkwürdige Hintergründigkeit einer gewissermaßen 'verdeckten' Virtuosität durch alle fünf Sätze des Konzerts; ebenfalls in allen fünf Sätzen bleibt es beider Rolle des Soloklaviers, den im Orchester formulierten thematischen Gedankenreichtum sozusagen 'nach'-zudenken, d. h. aus der Position des lauschenden Zuhörers heraus die Aufgabe des Kommentators, der fortspinnenden Reflexion, der ausschmückenden Nachgestaltung und der figurenreichen Variantenentwicklung durchzuhalten: Busoni hat mit dieser Doppelung von atemberaubender Klavierartistik und von diskreter Zurückgezogenheit im Klavierkonzert gleichsam ein Solistenportrait seiner selbst gezeichnet. Dies zum ersten.
Zum zweiten ist damit aber noch nicht die Frage beantwortet, warum Busoni - mit Blick auf die eben angesprochene Diskretion - die formale Disposition des Konzerts auf fünf Sätze erweitert und sie dadurch zu einem gigantischen Formplan ausdehnt (was Alfred Brendel zur Bemerkung " monströs überkomponiert" veranlasste). Busoni selbst hat später in leiser Selbstkritik sein op. 39 "Wolkenkratzer- Konzert" genannt und schreibt in einem Brief an seine Frau Gerda am 6.4.1910:
Warum sieht ein Wolkenkratzer falsch aus? Weil seine Proportionen falsch sind im Vergleich zum menschlichen Maß und weil die Höhe des Gebäudes wegen der Größe seiner Planung aus dem Lot gerät (zit. n. Beaumont, Antony: Busoni the Composer. London 1985, 7 4).
Dennoch: in den Jahren 1901 bis 1904 plant und baut Busoni diesen fünfsätzigen Wolkenkratzer; er steht in vierten Lebensjahrzehnt, mitten in einer vita activa, ausgebucht als Konzertveranstalter, Lehrer, Pianist, im Kopf die Pläne zu zwei großen Werken: die Bühnenmusik zu Adam Gottlob Oehlenschlägers Drama "Aladdin" und das Klavierkonzert. In diesen Jahren reifen gleichzeitig ästhetische Reflexionen, Futurismen, theoretische Antworten auf musikalische Fragen einer Zeit des Umbruchs; Busoni wird sie wenig später - 1906 - zu Papier bringen und mit dem Titel "Entwurf einer neuen Asthetik der Tonkunst" veröffentlichen. Die Bühnenmusik zu "Aladdin" bleibt unausgeführt, seine philosophische Substanz allerdings fließt ins Klavierkonzert ein, desgleichen der Schlusschor "Hebt zu der ewigen Kraft Eure Herzen, fühlet Euch Allah nah, schaut seine Tat!". Dieser Schlusschor, den Busoni als fünften Satz des Klavierkonzerts mit der Uberschrift "Cantico" komponiert, ist die spirituelle Keimzelle des ganzen Konzerts: Busoni entwickelt die Konzert-Konzeption sozusagen von ihrem Ende her, und wie das in solchen Fällen üblich ist (die Entstehungsgeschichte von Wagners "Ring des Nibelungen( sei erinnert), geraten sie fast von selbst in eine epische Breite. Wir sagten: die philosophische Substanz des "Aladdin"-Dramas sei in die Konzeption des Konzerts eingedrungen; in der Tat bildet sie gewissermaßen das geistig-weltanschauliche "Programm", obwohl Busoni ein strikter Gegner einer programmatischen Asthetik war und sich im " Entwurf " unmissverständlich distanziert:
ln Wirklichkeit ist die Programmmusik ebenso einseitig und begrenzt wie das als absolute Musik verkündete, von Hanslick verherrlichte Klang-Tapetenmuster. Anstatt architektonischer und symmetrischer Formeln, anstatt der Tonika- und Dominantverhältnisse hat sie das bindende dichterische Wort, zuweilen gar philosophische Programm als wie eine Schiene sich angeschnürt. (Busoni: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. Berlin 1906: zit. aus der Neuauflage Frankfurt / M. 197 4, S. 18).
Der Verdacht, dass sich der Komponist Busoni in der Schlinge des Theoretikers Busoni selber verheddert, ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn man sich den aus "Aladdin" hergeleiteten "Überbau" ins Bewusstsein hebt. Oehlenschläger, ein dänischer Zeitgenosse Goethes, schreibt in enger Anlehnung an dessen "Faust l" und an jenes Märchen aus "1001 Nacht., ein pantheistisches Erlösungsdrama; im Mittelpunkt steht, wie in der "Zauberflöte", wie in Wagners "Parsifal" oder im "Siegfried", die junge reine Unschuld: nur sie kann die magische Grotte und die magische Lampe finden. Unschuldige Natur und ein unschuldiger Mensch sind die Gegenkräfte zum materiellen Glück, das nur durch Betrug zu gewinnen ist. Materielles Streben aber bringt die Mutter aller Dinge - die Erde selbst - in die Gefahr einer Zerstörung. lhre Bewahrung ist nur dem reinen Gemüt, der reinen Menschlichkeit möglich. Gott ist in der Natur, die der Mensch zu bewahren hat; und in eben diesem bewahrten Naturschönen findet der Mensch zur gottähnlichen Reinheit: fürwahr eine pantheistische Faustformel. Busoni scheint diese philosophisch-ethische Denkfigur für so wichtig gehalten zu haben, dass er das thematische Material des Schlußhymnus auf den ersten Satz überträgt im Sinne eines Vorwegzitats: bei Ziffer 91 ,Takt 9ff intoniert der Männerchor ein Thema, welches Busoni sein "Kirchenthema( genannt hatte ("Einst betrat ich beim Sonnenaufgang das Straßburger Münster. Unsichtbare menschliche Stimmen erklangen"); dieses "Kirchenthema" mit seinem charakteristischen steigenden bzw. fallenden Halbtonschritt bildet das Ausgangsmaterial des Kopfsatzes.
Der epische Charakter des Schlusssatzes mit seinen hymnischen Deklamationen prägt denn auch den Ton des Kopfsatzes ("Prologo e Introito");womit sich ein gewaltiger Bogen spannt, den in der Mitte - gleichsam wie ein tragender Pfeiler - der dritte Satz abstützt. Als "Pezzo serioso" ist er untergliedert in a) "lntroductio", b) "Prima pärs", c) "Altera pars" und d) "Ultra pars(. Mit dem Kopf- und Schlusssatz hat der umfangreiche Mittelsatz (anders als Sätze 2 und 4) ein festes tonales Zentrum, und eine weitergehende Verwandtschaft sehen wir in der Tatsache, dass auch hier die Musik sich eines literarisch-programmatischen Bezuges versichert: es scheint diesen Satz ebenfalls danach zu drängen, übers abstrakte musikalische Zeichen hinaus inständig "reden" zu wollen. Dafür steht in der lntroductio eine Invocations-Figur barocken Ursprungs ein, deren Sprachgestus unüberhörbar ist und deren Verwandtschaft mit Bachs rhetorischen Themen (vgl. h-Moll-Messe) nicht überrascht. Busoni schreibt 1900'. "Wahrlich, Bach ist das Alpha des Klaviersatzes und Liszt das Omegs" (zit. n. Stuckenschmidt, H. H.: Ferruccio Busoni. Zürich 1967, S. 23). Mehr noch: Beaumont weist für die "Prima pars" auf den ausdruckstiftenden Choralhin, den das Klavier mit feierlich-nobler Ruhe zelebriert.
Dieser Choral stammt aus Busonis "Sigune", wo er das Bild einer eben erbauten Kathedrale im Zwielicht zeichnet.
Die majestätisch-dekorative Anschaulichkeit des "Kirchenthemas( in den Ecksätzen und die fromme Feierlichkeit einer Kathedralen-Vison im Mittelsatz verknüpfen sich im Sinne der erwähnten formalen Bogen-Spannung dergestalt, dass wir wissen: hier ist das spirituelle Zentrum des Konzerts. "Altera pars" uhd "Ultra pars" verdichten das thematische Material: zum einen fügt sich die rhetorische Invokations-Figur zum Kanon, zum anderen findet eine Art Meditation über das "Kathedralen-Thema" statt.
Den zweiten und vierten Satz gemeinsam zu betrachten, entspräche der großen dreigeteilten Bogen-Konzeption. Tatsächlich stellen diese Sätze - komplementär zur religiös-pantheistischen Idee der Sätze 1, 3 und 5 - sozusagen die lärmende, wirkliche Welt dar, und zwar eine deutlich italienische. Zwei Scherzi also, zuweilen grotesk und turbulent wie das Finale der "Symphonie fantastique" von Berlioz. Das "giocoso" des zweiten Satzes ist eine Maske, denn in seiner Mischung aus alla turca und italienischer Folklore entstehen verzerrte klingende Verxierbilder. Wenn man will, darf man im tiefen Klarinettenregister, mit dem das italienische Volkslied intoniert wird, Reminiszenzen an den für Busoni immer problematischen Vater, an das auch gebrochene Heimatbild ltalien heraushören.
Sehr ähnlich, doch wesentlich heiterer und abgeklärter der vierte Satz, "All'ltaliana" betitelt. Busoni schreibt dazu: "Die Tarantella, welche dem Adagio folgt, klingt, wie wenn man aus dem Forum Romanum herauskommt und eine römische Straße betritt"; und an Gerda geht die Notiz: "Die Tarantella ist Neapel selbst, nur halt ein bisschen sauberer". Thematische Fetzen spuken durch diesen wirbelnden Satz, das "Fenesta che lucivi", das "Kathedralen-Thema", bis sich schließlich ein neues Volkslied- Thema vorstellt: die "Canzone del Serpentino".
Keine Idylle freilich, sondern ein kurzzeitiges Portrait eines heiteren Italien, bis es dann, als Climax, zu einem "Ausbruch des Vesuvs" kommt, wie Busoni vermerkt; eine "dionysische Explosion", so nennt es Beaumont.
Bildlich gesprochen: zwischen den drei Pfeilern der Sätze 1, 3 und 5, also zwischen den tragenden Elementen eines philosophischen Idealismus, fließen die Ströme eines lebendigen Realismus; Naturmystizismus und porträtierte Natur bilden die äußere und innere Klammer. Busoni notiert am 21.Juli 1902 im Brief an Gerda: das Klavierkonzert verstehe er als eine "Illustration mit den Mitteln der Architektur, der Landschaft und des Symbolismus"; er präzisiert: Die drei Gebäude sind der 1., 3. und 5. Satz, zwischen denen die zwei'lebenden' stehen: Scherzo und Tarantella; der erste Bereich als ein Naturspiel eines Zauberflusses und eines Zaubervogels - der zweite vertreten durch Vesuv und Zypressen. - Über dem Portal geht die Sonne auf ; ein Siegel ist an der Tür des hinteren Gebäudes befestigt; das geflügelte Wesen im Garten meint den Naturmystizismus von Oehlenschlägers Chor (zit. n. Beaumont, a. a.O.,64).
Diese symbolische Beschreibung meinte Busoni offensichtlich so ernst, dass er sie in der graphischen Ausfertigung durch Heinrich Vogeler - Worpswede zum Titelblatt seiner 1904 gedruckten Partitur verwendete.
Die öffentliche Reaktion auf die. Uraufführung war Erschrecken. In der "Täglichen- Rundschau", Berlin 14.11.1914, war zu lesen:
Lärm, noch mehr Lärm, Maßlosigkeiten und Ausschweifungen erzeugten weiteren Lärm und hatten damit die gleiche Wirkung auf uns. Während fünf Sätzen wurden wir in einer Flut von Kakophonien ertränkt; ein 'pezzo giocoso' malte die Freuden von kriegslüsternen Barbaren, und eine Tarantella die Orgien von Absinth-Säufern und gemeinen Huren ... Es war schrecklich! (zit. n. Beaumont, a. a.O.,73).
Nun ja, das sind die üblichen Marginalien von Kunstwerken, die es in der Zeit ihrer Entstehung mit Protest und Unverständnis zu tun bekommen;die Rezeptionsgeschichte ist voll davon, auch nährt das die Legende: je ausgepfiffener, desto kunstvoller. Uns mag weit mehr interessieren, wie konsequent Busoni, der Komponist, den ästhetischen Theoretiker gewissermaßen einlöste mit einem Konzert, das vor dem geistigen Hintergrund des "Entwurfs" entstanden ist. Hinsichtlich des Verdikts in Sachen Programmmusik dürfen wir da unsere Zweifel haben, denn es hat sich herausgestellt, dass diesem Konzert mindestens zwei Ideen zugrunde liegen: ein pantheistischer Mystizismus und dann noch eine - Busoni vermutlich unbewusste - Idee der Selbstportraitierung: als Pianist, als ein seinem Heimatland Italien skeptisch-liebevoll zugewandter Europäer, der später, während des l. Weltkriegs, auf tragische Weise zwischen alle Stühle zu sitzen kam. Zurück also zum Text des "Entwurfs einer neuen Asthetik der Tonkunst". Darin vergleicht er die Musik mit einem Kind, das - kaum dass es gehen gelernt habe - in das Zwangskorsett von Regeln und Prinzipien eingezwängt werde:
Sie verleugnen die Bestimmung dieses Kindes und fesseln es. Das schwebende Wesen muss geziemend gehen, muss, wie jeder andere, den Regeln des Anstandes sich fügen; kaum, dass es hüpfen darf - indessen es seine Lust wäre, der Linie des Regenbogens zu folgen und mit den Wolken Sonnenstrahlen zu brechen. Frei ist die Tonkunst geboren und frei zu werden ihre Bestimmung. Sie wird der vollständigste aller Naturwiderscheine werden durch die Ungebundenheit ihrer Unmaterialität ...
Das mag auf den ersten Blick emphatische Schwärmerei sein, auf den zweiten Blick fällt auf, wie eng sich Busoni in seiner gesamten Argumentation mit Natur bzw. Natürlichkeit berührt: Ausbruch aus dem künstlichen Regelsystem - so dürfte man vielleicht schlagwortartig zusammenfassen.
Wer gegebenen Gesetzen folgt, hört auf, ein Schaffender zu sein. Die Schaffenskraft ist umso erkennbarer, je unabhängiger sie von Überlieferungen sich zu machen vermag ... Der echte Schaffende erstrebt im Grunde nur die Vollendung. Und indem er diese mit seiner Individualität in Einklang bringt, entsteht absichtslos ein neues Gesetz ... Die Routine wandelt den Tempel der Kunst um in eine Fabrik. Sie zerstört das Schaffen. Denn Schaffen heißt: aus Nichts erzeugen. Die Routine aber gedeiht im Nachbilden (a. a.O.,40f ).
Nehmen wir noch zwei Belege hinzu, so komplettiert sich das Bild; dies zum einen:
Habt ihr bemerkt, wie die Menschen über die glänzende Beleuchtung eines Saales den Mund aufsperren? Sie tun es niemals über den millionenmal stärkeren Mittagssonnenschein (a. a. O.,46).
Und dies zum zweiten:
Jedes Motiv - so will es mir scheinen - enthält wie ein Samen seinen Trieb in sich. Verschiedene Pflanzensamen treiben verschiedene Pflanzenarten, an Form, Blättern, Blüten, Früchten, Wuchs und Farben voneinander abweichend (a. a.O.,18).
Missverständlich ist der Satz: "Denn Schaffen heißt: aus Nichts erzeugen(; natürlich ist sich Busoni seiner historischen Wurzeln bewusst, greift auf vorhandenes Material (italienisches Volksgut oder rhetorische Gebärden barocker Herkunft) zurück, indessen scheint er ein anderes Ziel als nur das einer Stilkopie anzustreben: Musik zur wortfreien Sprachfähigkeit zu bringen - "mit der Beweglichkeit der Seele, mit der Lebendigkeit der aufeinanderfolgenden Momente". Dies treibt ihn so weit, dass er sich - wie Beethoven in der 9.Symphonie - des konkreten Wortgehalts schließlich versichert, wenngleich in lyrisch verschlüsselter Weise. Hier scheint Busoni der "Unmaterialität" seiner Tonkunst denn doch nicht so ganz zu vertrauen, wie er überhaupt manchmal eine Art "semantischer Sicherheitspolitik" betreibt: in seinen begleitenden Kommentaren, in seinen textlich präzisierten "Kirchen"- und "Kathedralen"- Themen, nicht zuletzt in seinen stilistischen Anspielungen auf adäquate, sinntragende Parallelen; Beaumont verweist z. B. sehr richtig auf eine enge Beziehung zwischen dem "Aladdin"- Thema des l. Satzes und dem Schwan- Motiv in Wagners "Parsifal".
In anderer Hinsicht aber folgt Busoni seinen eigenen ästhetischen Paradigmen sehr viel konsequenter nach. Sein - wenn man so sagen darf: evolutionsphilosophischer - Wachstumsbegriff, den er auf die Eigendynamik von Themen und Motiven anwendet, erklärt in der Tat, warum wir im Klavierkonzert jene fast unermessliche Zeit finden, mit der sich Themen allmählich entfalten und in immer wieder veränderter Form ihren Variantenreichtum ausbreiten. Das hat tatsächlich den Charakter einer gleichsam natürlichen Organologie; das erklärt andererseits auch jene Naivität, mit der Busoni Akkordblöcke aufschichtet, großzügige Arpeggio-Flächen ausbreitet und volkstümlichen Rhythmen Platz einräumt. Dass er dabei- im Sinne einer Freiheit von überkommenen Regeln und Gesetzen - zu ganz individuellen Formgestalten findet (" ... entsteht absichtslos ein neues Gesetz"), stimmt mit seinen Forderungen eng überein: scheitern würde, wer nach der Sonatenhauptsatzform suchte, das Adagio ist nicht mehr erholsame Ruhezone, sondern der eigentliche Ort diskursiver Konfliktaustragung, und auch das ehemals motorisch entlastende Scherzo wird - gleich zweimal - zur janusköpfigen Portraitstudie, zum individuellen Charakterbild. Busoni, der ein Anti-Programmatiker sein möchte, wird dort zum kühnen Futuristen, wo er sich in der eigenen Programmatik verstrickt: das Bild von der Freude über den "millionenmal stärkeren Sonnenschein" verrät ihn vollends dergestalt, dass er der Musik jene Natürlichkeit zurückgeben möchte, die ihr durch Akademismus ausgetrieben worden ist. Aber just diese Natürlichkeit muss sich Busoni, wo das allein mit den Mitteln eines musikalischen Materials nicht möglich ist, von der außermusikalischen Natur-Idee gleichsam ausborgen; Natur als Mythos (in den Sätzen 1, 3,5) und Natur als verarbeiteter "Rohstoff" ermöglichen ihm formale und expressive Freiheiten, die anders nicht erreichbar gewesen wären. Dass Busoni im gleichen Atemzug sich vehement widerspricht insofern, als es ihm angelegen war, eine technische und instrumentale Begrenzung aufzuheben, d. h. natürliche Schranken vollkommen z. J durchbrechen, ist fast eine Pikanterie, denn damit stößt er weit in die Bezirke von extremer Künstlichkeit vor, was die pianistischen Grenzwerte dieses Klavierkonzerts hinlänglich erklären würde, nicht aber eine von Busoni erträumte musikalische "Jungfräulichkeit".
Wir dürfen freilich nicht vergessen, dass Busoni, ein kulturell umfassend Gebildeter, vom ästhetischen Diktat der Jugendstil- Epoche nicht unberührt gewesen sein dürfte, von einem Paradigma also, das durch ausgeklügelte künstlich-künstlerische Ornamentik einen Naturbegriff zweiter, d. h. reflektierter Ordnung wieder beleben wollte: Monstrosität und verspielte Zierlichkeit lagen dort eng beieinander, und Virtuosität bildete mit raffinierter Einfachheit eine verblüffend täuschende Synthese.
Das prägt den eigentümlichen Ton seiner Musik, die infolge ihrer hochentwickelten Rationalität klingt, als sei sie mehrfach gefiltert: stilistische Einflüsse durch Wagner, Liszt, mehr noch durch Brahms und Bach sind zwar vorhanden, wirken aber verfremdet dadurch, dass Busoni sie einer eleganten Art d6co-Bearbeitung, einer kunstvollen Glättung unterwirft. Eine stilistische Historie tritt damit auf gleiche Weise in Erscheinung wie das in den Sätzen 2und 4 beim Namen gerufene Italien: nicht in originaler Gestalt und Kraft, sondern als ein nachgeschaffenes Bild, das sich Busoni, der naturferne Stadtmensch, davon macht. Kein bäuerischer Giuseppe Verdi, der mit vollen Händen aus dem volkstümlichen Tonfall seiner unmittelbaren regionalen und mentalen Umgebung schöpfte, sondern ein eleganter Herr, welcher von erhabenem Standort aus Landschaften mit dem Fernglas betrachtet: die kulturelle einer überlieferten Geschichte ebenso wie die topographische der eigenen Herkunft. Die Unmittelbarkeit des Naturlauts eines Gustav Mahler gibt es bei Busoni nicht, dafür eine Natürlichkeit bzw. einen Naturmystizismus künstlicher Art aus der reZierlichkeit lagen dort eng beieinander, und Virtuosität bildete mit raffinierter Einfachheit eine verblüffend täuschende Synthese. Das prägt den eigentümlichen Ton seiner Musik, die infolge ihrer hochentwickelten Rationalität klingt, als sei sie mehrfach gefiltert: stilistische Einflüsse durch Wagner, Liszt, mehr noch durch Brahms und Bach sind zwar vorhanden, wirken aber verfremdet dadurch, daß Busoni sie einer eleganten Art d6co-Bearbeitung, einer kunstvollen Glättung untenrvirft. Eine stilistische Historie tritt damit auf gleiche Weise in Erscheinung wie das in den Sätzen 2und 4 beim Namen gerufene ltalien: nicht in originaler Gestalt und Kraft, sondern als ein nachgeschaffenes Bild, das sich Busoni, der naturferne Stadtmensch, davon macht. Kein bäuerischer Giuseppe Verdi, der mit vollen Händen aus dem volkstümlichen Tonfall seiner unmittelbaren regionalen und mentalen Umgebung schöpfte, sondern ein eleganter Herr, welcher von erhabenem Standort aus Landschaften mit dem Fernglas betrachtet: die kulturelle einer überlieferten Geschichte ebenso wie die topographische der eigenen Herkunft. Die Unmittelbarkeit des Naturlauts eines Gustav Mahler gibt es bei Busoni nicht, dafür eine Natürlichkeit bzw. einen Naturmystizismus künstlicher Art aus der reflektierten Sicht eines zivilisatorisch Fernstehenden.
Das Wunschbild von der künftigen Musik als einem schwerelosen, schwebenden Kinde konnte also im Klavierkonzert nicht - noch nicht - verwirklicht werden; der erträumten Einheit und Einfachheit im Sinne einer "jungen Klassizität" stehen im Jahr 1904 noch jene Widersprüche eines disparaten Materials entgegen, deren versuchte Synthese den Zwang der Anstrengung verrät.
Prof. Dr. Hans-Christian Schmidt
Dass Busoni ein glänzender Pianist war, dass er mit nahezu regloser Haltung am Klavier eine ebenmäßige, unaufdringliche, transparente und singende Anschlagskultur hörbar machte, ist einhellig durch Zeitgenossen belegt; deswegen hatte der Pianist Busoni ein Repertoire in petto, welches an Reichtum und stilistischer Breite heutzutage schlicht unvorstellbar wäre; der Biograph Edward J. Dent braucht in seinem Buch "Ferruccio Busoni" (London 1974) sage und schreibe 15 eng gesetzte Druckseiten, um es aufzulisten: Liszt neben Rubinstein, Schubert neben Bach, Saint-Saens neben Mendelssohn, Mozart neben Hummel, Chopin neben Brahms, Goldmark neben Beethoven, Alkan neben Scarlatti - einmal mehr entsteht das Bild eines Künstlers, dem spezialisierte Enge fremd war, der einen Musikbegriff hatte, wo Historie ebenso zur gegenwärtigen Kultur zählte wie das aktuelle Oeuvre an der Schwelle zum 20.Jahrhundert. Kein Wunder also, wenn wir den groß gespannten stilistischen Bogen auch im Klavierkonzert op. 39 wiederfinden, wobei wir uns auch nicht darüber wundern, dass der komponierende Pianist Busoni ein Klavierkonzert von beträchtlichen Ausmaßen und von noch beträchtlicherem Schwierigkeitsgrad auf Notenpapier bringt; allenfalls bleibt verwunderlich, dass er es bei einem einzigen Konzert bewenden ließ - war damit innerhalb dieses Gattungsrahmens alles gesagt und gelöst?
Schon bei flüchtiger Begegnung wird klar, wie wenig es Busoni, allen virtuosen Vertracktheiten zum Trotz, darum ging, mit diesem Klavierkonzert sich und seinen brillanten pianistischen Fähigkeiten eine selbstkomponierte Plattform zu bauen; weder hatte er sie nötig, noch war sie ihm, dem Virtuosen wider Willen, wichtig (darin dem Franz Liszt der zweiten Lebenshälfte sehr ähnlich). Nein, dieses Konzert missversteht man gründlich, sofern man es mit jener anderen Kategorie eines Rachmaninow- Konzerts vergleichen würde, obwohl es dieses mit pianistischen Problemen noch überbietet. Strukturell ist das Busoni- Konzert dem B-Dur-Konzert von Johannes Brahms verwandt;wie dieses weicht es von der üblichen Dreisätzigkeit ab und verwebt den Klaviersolo-Part in das symphonische Netzwerk von thematisch-motivischen Verflechtungen. Das Orchester ist nicht, wie im Modell des Virtuosen- Konzerts, der bescheidene Begleiter für die solistische Akrobatik, sondern das Soloklavier zieht sich in die Rolle des reflexiven Kommentators zurück.
Es hat den Anschein, als spiegele das Klavierkonzert ein pianistisches Grundverständnis von Busoni wider: das Selbstbildnis eines Künstlers, in dem sich außergewöhnliche manuelle Fertigkeiten mit ebenso außergewöhnlichen Bescheidenheiten paaren.
In der Tat zieht sich diese merkwürdige Hintergründigkeit einer gewissermaßen 'verdeckten' Virtuosität durch alle fünf Sätze des Konzerts; ebenfalls in allen fünf Sätzen bleibt es beider Rolle des Soloklaviers, den im Orchester formulierten thematischen Gedankenreichtum sozusagen 'nach'-zudenken, d. h. aus der Position des lauschenden Zuhörers heraus die Aufgabe des Kommentators, der fortspinnenden Reflexion, der ausschmückenden Nachgestaltung und der figurenreichen Variantenentwicklung durchzuhalten: Busoni hat mit dieser Doppelung von atemberaubender Klavierartistik und von diskreter Zurückgezogenheit im Klavierkonzert gleichsam ein Solistenportrait seiner selbst gezeichnet. Dies zum ersten.
Zum zweiten ist damit aber noch nicht die Frage beantwortet, warum Busoni - mit Blick auf die eben angesprochene Diskretion - die formale Disposition des Konzerts auf fünf Sätze erweitert und sie dadurch zu einem gigantischen Formplan ausdehnt (was Alfred Brendel zur Bemerkung " monströs überkomponiert" veranlasste). Busoni selbst hat später in leiser Selbstkritik sein op. 39 "Wolkenkratzer- Konzert" genannt und schreibt in einem Brief an seine Frau Gerda am 6.4.1910:
Warum sieht ein Wolkenkratzer falsch aus? Weil seine Proportionen falsch sind im Vergleich zum menschlichen Maß und weil die Höhe des Gebäudes wegen der Größe seiner Planung aus dem Lot gerät (zit. n. Beaumont, Antony: Busoni the Composer. London 1985, 7 4).
Dennoch: in den Jahren 1901 bis 1904 plant und baut Busoni diesen fünfsätzigen Wolkenkratzer; er steht in vierten Lebensjahrzehnt, mitten in einer vita activa, ausgebucht als Konzertveranstalter, Lehrer, Pianist, im Kopf die Pläne zu zwei großen Werken: die Bühnenmusik zu Adam Gottlob Oehlenschlägers Drama "Aladdin" und das Klavierkonzert. In diesen Jahren reifen gleichzeitig ästhetische Reflexionen, Futurismen, theoretische Antworten auf musikalische Fragen einer Zeit des Umbruchs; Busoni wird sie wenig später - 1906 - zu Papier bringen und mit dem Titel "Entwurf einer neuen Asthetik der Tonkunst" veröffentlichen. Die Bühnenmusik zu "Aladdin" bleibt unausgeführt, seine philosophische Substanz allerdings fließt ins Klavierkonzert ein, desgleichen der Schlusschor "Hebt zu der ewigen Kraft Eure Herzen, fühlet Euch Allah nah, schaut seine Tat!". Dieser Schlusschor, den Busoni als fünften Satz des Klavierkonzerts mit der Uberschrift "Cantico" komponiert, ist die spirituelle Keimzelle des ganzen Konzerts: Busoni entwickelt die Konzert-Konzeption sozusagen von ihrem Ende her, und wie das in solchen Fällen üblich ist (die Entstehungsgeschichte von Wagners "Ring des Nibelungen( sei erinnert), geraten sie fast von selbst in eine epische Breite. Wir sagten: die philosophische Substanz des "Aladdin"-Dramas sei in die Konzeption des Konzerts eingedrungen; in der Tat bildet sie gewissermaßen das geistig-weltanschauliche "Programm", obwohl Busoni ein strikter Gegner einer programmatischen Asthetik war und sich im " Entwurf " unmissverständlich distanziert:
ln Wirklichkeit ist die Programmmusik ebenso einseitig und begrenzt wie das als absolute Musik verkündete, von Hanslick verherrlichte Klang-Tapetenmuster. Anstatt architektonischer und symmetrischer Formeln, anstatt der Tonika- und Dominantverhältnisse hat sie das bindende dichterische Wort, zuweilen gar philosophische Programm als wie eine Schiene sich angeschnürt. (Busoni: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. Berlin 1906: zit. aus der Neuauflage Frankfurt / M. 197 4, S. 18).
Der Verdacht, dass sich der Komponist Busoni in der Schlinge des Theoretikers Busoni selber verheddert, ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn man sich den aus "Aladdin" hergeleiteten "Überbau" ins Bewusstsein hebt. Oehlenschläger, ein dänischer Zeitgenosse Goethes, schreibt in enger Anlehnung an dessen "Faust l" und an jenes Märchen aus "1001 Nacht., ein pantheistisches Erlösungsdrama; im Mittelpunkt steht, wie in der "Zauberflöte", wie in Wagners "Parsifal" oder im "Siegfried", die junge reine Unschuld: nur sie kann die magische Grotte und die magische Lampe finden. Unschuldige Natur und ein unschuldiger Mensch sind die Gegenkräfte zum materiellen Glück, das nur durch Betrug zu gewinnen ist. Materielles Streben aber bringt die Mutter aller Dinge - die Erde selbst - in die Gefahr einer Zerstörung. lhre Bewahrung ist nur dem reinen Gemüt, der reinen Menschlichkeit möglich. Gott ist in der Natur, die der Mensch zu bewahren hat; und in eben diesem bewahrten Naturschönen findet der Mensch zur gottähnlichen Reinheit: fürwahr eine pantheistische Faustformel. Busoni scheint diese philosophisch-ethische Denkfigur für so wichtig gehalten zu haben, dass er das thematische Material des Schlußhymnus auf den ersten Satz überträgt im Sinne eines Vorwegzitats: bei Ziffer 91 ,Takt 9ff intoniert der Männerchor ein Thema, welches Busoni sein "Kirchenthema( genannt hatte ("Einst betrat ich beim Sonnenaufgang das Straßburger Münster. Unsichtbare menschliche Stimmen erklangen"); dieses "Kirchenthema" mit seinem charakteristischen steigenden bzw. fallenden Halbtonschritt bildet das Ausgangsmaterial des Kopfsatzes.
Der epische Charakter des Schlusssatzes mit seinen hymnischen Deklamationen prägt denn auch den Ton des Kopfsatzes ("Prologo e Introito");womit sich ein gewaltiger Bogen spannt, den in der Mitte - gleichsam wie ein tragender Pfeiler - der dritte Satz abstützt. Als "Pezzo serioso" ist er untergliedert in a) "lntroductio", b) "Prima pärs", c) "Altera pars" und d) "Ultra pars(. Mit dem Kopf- und Schlusssatz hat der umfangreiche Mittelsatz (anders als Sätze 2 und 4) ein festes tonales Zentrum, und eine weitergehende Verwandtschaft sehen wir in der Tatsache, dass auch hier die Musik sich eines literarisch-programmatischen Bezuges versichert: es scheint diesen Satz ebenfalls danach zu drängen, übers abstrakte musikalische Zeichen hinaus inständig "reden" zu wollen. Dafür steht in der lntroductio eine Invocations-Figur barocken Ursprungs ein, deren Sprachgestus unüberhörbar ist und deren Verwandtschaft mit Bachs rhetorischen Themen (vgl. h-Moll-Messe) nicht überrascht. Busoni schreibt 1900'. "Wahrlich, Bach ist das Alpha des Klaviersatzes und Liszt das Omegs" (zit. n. Stuckenschmidt, H. H.: Ferruccio Busoni. Zürich 1967, S. 23). Mehr noch: Beaumont weist für die "Prima pars" auf den ausdruckstiftenden Choralhin, den das Klavier mit feierlich-nobler Ruhe zelebriert.
Dieser Choral stammt aus Busonis "Sigune", wo er das Bild einer eben erbauten Kathedrale im Zwielicht zeichnet.
Die majestätisch-dekorative Anschaulichkeit des "Kirchenthemas( in den Ecksätzen und die fromme Feierlichkeit einer Kathedralen-Vison im Mittelsatz verknüpfen sich im Sinne der erwähnten formalen Bogen-Spannung dergestalt, dass wir wissen: hier ist das spirituelle Zentrum des Konzerts. "Altera pars" uhd "Ultra pars" verdichten das thematische Material: zum einen fügt sich die rhetorische Invokations-Figur zum Kanon, zum anderen findet eine Art Meditation über das "Kathedralen-Thema" statt.
Den zweiten und vierten Satz gemeinsam zu betrachten, entspräche der großen dreigeteilten Bogen-Konzeption. Tatsächlich stellen diese Sätze - komplementär zur religiös-pantheistischen Idee der Sätze 1, 3 und 5 - sozusagen die lärmende, wirkliche Welt dar, und zwar eine deutlich italienische. Zwei Scherzi also, zuweilen grotesk und turbulent wie das Finale der "Symphonie fantastique" von Berlioz. Das "giocoso" des zweiten Satzes ist eine Maske, denn in seiner Mischung aus alla turca und italienischer Folklore entstehen verzerrte klingende Verxierbilder. Wenn man will, darf man im tiefen Klarinettenregister, mit dem das italienische Volkslied intoniert wird, Reminiszenzen an den für Busoni immer problematischen Vater, an das auch gebrochene Heimatbild ltalien heraushören.
Sehr ähnlich, doch wesentlich heiterer und abgeklärter der vierte Satz, "All'ltaliana" betitelt. Busoni schreibt dazu: "Die Tarantella, welche dem Adagio folgt, klingt, wie wenn man aus dem Forum Romanum herauskommt und eine römische Straße betritt"; und an Gerda geht die Notiz: "Die Tarantella ist Neapel selbst, nur halt ein bisschen sauberer". Thematische Fetzen spuken durch diesen wirbelnden Satz, das "Fenesta che lucivi", das "Kathedralen-Thema", bis sich schließlich ein neues Volkslied- Thema vorstellt: die "Canzone del Serpentino".
Keine Idylle freilich, sondern ein kurzzeitiges Portrait eines heiteren Italien, bis es dann, als Climax, zu einem "Ausbruch des Vesuvs" kommt, wie Busoni vermerkt; eine "dionysische Explosion", so nennt es Beaumont.
Bildlich gesprochen: zwischen den drei Pfeilern der Sätze 1, 3 und 5, also zwischen den tragenden Elementen eines philosophischen Idealismus, fließen die Ströme eines lebendigen Realismus; Naturmystizismus und porträtierte Natur bilden die äußere und innere Klammer. Busoni notiert am 21.Juli 1902 im Brief an Gerda: das Klavierkonzert verstehe er als eine "Illustration mit den Mitteln der Architektur, der Landschaft und des Symbolismus"; er präzisiert: Die drei Gebäude sind der 1., 3. und 5. Satz, zwischen denen die zwei'lebenden' stehen: Scherzo und Tarantella; der erste Bereich als ein Naturspiel eines Zauberflusses und eines Zaubervogels - der zweite vertreten durch Vesuv und Zypressen. - Über dem Portal geht die Sonne auf ; ein Siegel ist an der Tür des hinteren Gebäudes befestigt; das geflügelte Wesen im Garten meint den Naturmystizismus von Oehlenschlägers Chor (zit. n. Beaumont, a. a.O.,64).
Diese symbolische Beschreibung meinte Busoni offensichtlich so ernst, dass er sie in der graphischen Ausfertigung durch Heinrich Vogeler - Worpswede zum Titelblatt seiner 1904 gedruckten Partitur verwendete.
Die öffentliche Reaktion auf die. Uraufführung war Erschrecken. In der "Täglichen- Rundschau", Berlin 14.11.1914, war zu lesen:
Lärm, noch mehr Lärm, Maßlosigkeiten und Ausschweifungen erzeugten weiteren Lärm und hatten damit die gleiche Wirkung auf uns. Während fünf Sätzen wurden wir in einer Flut von Kakophonien ertränkt; ein 'pezzo giocoso' malte die Freuden von kriegslüsternen Barbaren, und eine Tarantella die Orgien von Absinth-Säufern und gemeinen Huren ... Es war schrecklich! (zit. n. Beaumont, a. a.O.,73).
Nun ja, das sind die üblichen Marginalien von Kunstwerken, die es in der Zeit ihrer Entstehung mit Protest und Unverständnis zu tun bekommen;die Rezeptionsgeschichte ist voll davon, auch nährt das die Legende: je ausgepfiffener, desto kunstvoller. Uns mag weit mehr interessieren, wie konsequent Busoni, der Komponist, den ästhetischen Theoretiker gewissermaßen einlöste mit einem Konzert, das vor dem geistigen Hintergrund des "Entwurfs" entstanden ist. Hinsichtlich des Verdikts in Sachen Programmmusik dürfen wir da unsere Zweifel haben, denn es hat sich herausgestellt, dass diesem Konzert mindestens zwei Ideen zugrunde liegen: ein pantheistischer Mystizismus und dann noch eine - Busoni vermutlich unbewusste - Idee der Selbstportraitierung: als Pianist, als ein seinem Heimatland Italien skeptisch-liebevoll zugewandter Europäer, der später, während des l. Weltkriegs, auf tragische Weise zwischen alle Stühle zu sitzen kam. Zurück also zum Text des "Entwurfs einer neuen Asthetik der Tonkunst". Darin vergleicht er die Musik mit einem Kind, das - kaum dass es gehen gelernt habe - in das Zwangskorsett von Regeln und Prinzipien eingezwängt werde:
Sie verleugnen die Bestimmung dieses Kindes und fesseln es. Das schwebende Wesen muss geziemend gehen, muss, wie jeder andere, den Regeln des Anstandes sich fügen; kaum, dass es hüpfen darf - indessen es seine Lust wäre, der Linie des Regenbogens zu folgen und mit den Wolken Sonnenstrahlen zu brechen. Frei ist die Tonkunst geboren und frei zu werden ihre Bestimmung. Sie wird der vollständigste aller Naturwiderscheine werden durch die Ungebundenheit ihrer Unmaterialität ...
Das mag auf den ersten Blick emphatische Schwärmerei sein, auf den zweiten Blick fällt auf, wie eng sich Busoni in seiner gesamten Argumentation mit Natur bzw. Natürlichkeit berührt: Ausbruch aus dem künstlichen Regelsystem - so dürfte man vielleicht schlagwortartig zusammenfassen.
Wer gegebenen Gesetzen folgt, hört auf, ein Schaffender zu sein. Die Schaffenskraft ist umso erkennbarer, je unabhängiger sie von Überlieferungen sich zu machen vermag ... Der echte Schaffende erstrebt im Grunde nur die Vollendung. Und indem er diese mit seiner Individualität in Einklang bringt, entsteht absichtslos ein neues Gesetz ... Die Routine wandelt den Tempel der Kunst um in eine Fabrik. Sie zerstört das Schaffen. Denn Schaffen heißt: aus Nichts erzeugen. Die Routine aber gedeiht im Nachbilden (a. a.O.,40f ).
Nehmen wir noch zwei Belege hinzu, so komplettiert sich das Bild; dies zum einen:
Habt ihr bemerkt, wie die Menschen über die glänzende Beleuchtung eines Saales den Mund aufsperren? Sie tun es niemals über den millionenmal stärkeren Mittagssonnenschein (a. a. O.,46).
Und dies zum zweiten:
Jedes Motiv - so will es mir scheinen - enthält wie ein Samen seinen Trieb in sich. Verschiedene Pflanzensamen treiben verschiedene Pflanzenarten, an Form, Blättern, Blüten, Früchten, Wuchs und Farben voneinander abweichend (a. a.O.,18).
Missverständlich ist der Satz: "Denn Schaffen heißt: aus Nichts erzeugen(; natürlich ist sich Busoni seiner historischen Wurzeln bewusst, greift auf vorhandenes Material (italienisches Volksgut oder rhetorische Gebärden barocker Herkunft) zurück, indessen scheint er ein anderes Ziel als nur das einer Stilkopie anzustreben: Musik zur wortfreien Sprachfähigkeit zu bringen - "mit der Beweglichkeit der Seele, mit der Lebendigkeit der aufeinanderfolgenden Momente". Dies treibt ihn so weit, dass er sich - wie Beethoven in der 9.Symphonie - des konkreten Wortgehalts schließlich versichert, wenngleich in lyrisch verschlüsselter Weise. Hier scheint Busoni der "Unmaterialität" seiner Tonkunst denn doch nicht so ganz zu vertrauen, wie er überhaupt manchmal eine Art "semantischer Sicherheitspolitik" betreibt: in seinen begleitenden Kommentaren, in seinen textlich präzisierten "Kirchen"- und "Kathedralen"- Themen, nicht zuletzt in seinen stilistischen Anspielungen auf adäquate, sinntragende Parallelen; Beaumont verweist z. B. sehr richtig auf eine enge Beziehung zwischen dem "Aladdin"- Thema des l. Satzes und dem Schwan- Motiv in Wagners "Parsifal".
In anderer Hinsicht aber folgt Busoni seinen eigenen ästhetischen Paradigmen sehr viel konsequenter nach. Sein - wenn man so sagen darf: evolutionsphilosophischer - Wachstumsbegriff, den er auf die Eigendynamik von Themen und Motiven anwendet, erklärt in der Tat, warum wir im Klavierkonzert jene fast unermessliche Zeit finden, mit der sich Themen allmählich entfalten und in immer wieder veränderter Form ihren Variantenreichtum ausbreiten. Das hat tatsächlich den Charakter einer gleichsam natürlichen Organologie; das erklärt andererseits auch jene Naivität, mit der Busoni Akkordblöcke aufschichtet, großzügige Arpeggio-Flächen ausbreitet und volkstümlichen Rhythmen Platz einräumt. Dass er dabei- im Sinne einer Freiheit von überkommenen Regeln und Gesetzen - zu ganz individuellen Formgestalten findet (" ... entsteht absichtslos ein neues Gesetz"), stimmt mit seinen Forderungen eng überein: scheitern würde, wer nach der Sonatenhauptsatzform suchte, das Adagio ist nicht mehr erholsame Ruhezone, sondern der eigentliche Ort diskursiver Konfliktaustragung, und auch das ehemals motorisch entlastende Scherzo wird - gleich zweimal - zur janusköpfigen Portraitstudie, zum individuellen Charakterbild. Busoni, der ein Anti-Programmatiker sein möchte, wird dort zum kühnen Futuristen, wo er sich in der eigenen Programmatik verstrickt: das Bild von der Freude über den "millionenmal stärkeren Sonnenschein" verrät ihn vollends dergestalt, dass er der Musik jene Natürlichkeit zurückgeben möchte, die ihr durch Akademismus ausgetrieben worden ist. Aber just diese Natürlichkeit muss sich Busoni, wo das allein mit den Mitteln eines musikalischen Materials nicht möglich ist, von der außermusikalischen Natur-Idee gleichsam ausborgen; Natur als Mythos (in den Sätzen 1, 3,5) und Natur als verarbeiteter "Rohstoff" ermöglichen ihm formale und expressive Freiheiten, die anders nicht erreichbar gewesen wären. Dass Busoni im gleichen Atemzug sich vehement widerspricht insofern, als es ihm angelegen war, eine technische und instrumentale Begrenzung aufzuheben, d. h. natürliche Schranken vollkommen z. J durchbrechen, ist fast eine Pikanterie, denn damit stößt er weit in die Bezirke von extremer Künstlichkeit vor, was die pianistischen Grenzwerte dieses Klavierkonzerts hinlänglich erklären würde, nicht aber eine von Busoni erträumte musikalische "Jungfräulichkeit".
Wir dürfen freilich nicht vergessen, dass Busoni, ein kulturell umfassend Gebildeter, vom ästhetischen Diktat der Jugendstil- Epoche nicht unberührt gewesen sein dürfte, von einem Paradigma also, das durch ausgeklügelte künstlich-künstlerische Ornamentik einen Naturbegriff zweiter, d. h. reflektierter Ordnung wieder beleben wollte: Monstrosität und verspielte Zierlichkeit lagen dort eng beieinander, und Virtuosität bildete mit raffinierter Einfachheit eine verblüffend täuschende Synthese.
Das prägt den eigentümlichen Ton seiner Musik, die infolge ihrer hochentwickelten Rationalität klingt, als sei sie mehrfach gefiltert: stilistische Einflüsse durch Wagner, Liszt, mehr noch durch Brahms und Bach sind zwar vorhanden, wirken aber verfremdet dadurch, dass Busoni sie einer eleganten Art d6co-Bearbeitung, einer kunstvollen Glättung unterwirft. Eine stilistische Historie tritt damit auf gleiche Weise in Erscheinung wie das in den Sätzen 2und 4 beim Namen gerufene Italien: nicht in originaler Gestalt und Kraft, sondern als ein nachgeschaffenes Bild, das sich Busoni, der naturferne Stadtmensch, davon macht. Kein bäuerischer Giuseppe Verdi, der mit vollen Händen aus dem volkstümlichen Tonfall seiner unmittelbaren regionalen und mentalen Umgebung schöpfte, sondern ein eleganter Herr, welcher von erhabenem Standort aus Landschaften mit dem Fernglas betrachtet: die kulturelle einer überlieferten Geschichte ebenso wie die topographische der eigenen Herkunft. Die Unmittelbarkeit des Naturlauts eines Gustav Mahler gibt es bei Busoni nicht, dafür eine Natürlichkeit bzw. einen Naturmystizismus künstlicher Art aus der reZierlichkeit lagen dort eng beieinander, und Virtuosität bildete mit raffinierter Einfachheit eine verblüffend täuschende Synthese. Das prägt den eigentümlichen Ton seiner Musik, die infolge ihrer hochentwickelten Rationalität klingt, als sei sie mehrfach gefiltert: stilistische Einflüsse durch Wagner, Liszt, mehr noch durch Brahms und Bach sind zwar vorhanden, wirken aber verfremdet dadurch, daß Busoni sie einer eleganten Art d6co-Bearbeitung, einer kunstvollen Glättung untenrvirft. Eine stilistische Historie tritt damit auf gleiche Weise in Erscheinung wie das in den Sätzen 2und 4 beim Namen gerufene ltalien: nicht in originaler Gestalt und Kraft, sondern als ein nachgeschaffenes Bild, das sich Busoni, der naturferne Stadtmensch, davon macht. Kein bäuerischer Giuseppe Verdi, der mit vollen Händen aus dem volkstümlichen Tonfall seiner unmittelbaren regionalen und mentalen Umgebung schöpfte, sondern ein eleganter Herr, welcher von erhabenem Standort aus Landschaften mit dem Fernglas betrachtet: die kulturelle einer überlieferten Geschichte ebenso wie die topographische der eigenen Herkunft. Die Unmittelbarkeit des Naturlauts eines Gustav Mahler gibt es bei Busoni nicht, dafür eine Natürlichkeit bzw. einen Naturmystizismus künstlicher Art aus der reflektierten Sicht eines zivilisatorisch Fernstehenden.
Das Wunschbild von der künftigen Musik als einem schwerelosen, schwebenden Kinde konnte also im Klavierkonzert nicht - noch nicht - verwirklicht werden; der erträumten Einheit und Einfachheit im Sinne einer "jungen Klassizität" stehen im Jahr 1904 noch jene Widersprüche eines disparaten Materials entgegen, deren versuchte Synthese den Zwang der Anstrengung verrät.
Prof. Dr. Hans-Christian Schmidt
Rezensionen
I. Harden im Musikmarkt Nr.7 v.1.4.89:"Nach der Übernahme des Klavierkonzertes von Pfitz- ner füllt cpo mit dieser Veröffentlichung einer Produktion des Busoni-Konzertes des Bayeri- schen Rundfunks aus dem Jahre 1986 eine weitere Kataloglücke. Und das Osnabrücker Unternehmen kann sie in einer Weise füllen, die die Vorgängeraufnahmen des fünfsätzigen Mammutwerkes fast vergessen macht:Was Volker Banfield und die bayerischen Sinfoniker unter Lutz Herbig hier an Präzision und Um- rißschärfe des Musizierens, an Virtuosität und entschiedener Gestaltung einbringen, ist ein- deutig erste Wahl. ..eine überzeugende und fesselnde erste Wahl." FonoForum 6/89:"Platte des Monats" The Gramophone 7/89:"Eine höchst eindrucks- volle Aufführung...Banfields Version ist ganz klar erste Wahl,ausgezeichnet aufgenommen. Bewunderswürdiger Begleittext."- Tracklisting
- Details
- Mitwirkende
Disk 1 von 1 (CD)
Konzert für Klavier, Orchester und Männerchor op. 39
- 1 1. Prologe e introito: Allegro, dolce e solenne
- 2 2. Pezzo giocoso: Vivacemente, ma senza fretta
- 3 3. Pezzo serioso: Andante sostenuto, pensoso
- 4 4. All'Italiana: Vivace
- 5 5. Cantico: Largamento e più moderato
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