Alfons V.el Magnanim - El Cancionero de Montecassino
Alfons V.el Magnanim - El Cancionero de Montecassino
Mit Werken von:
Guillaume Dufay (1400-1474)
, Johannes Cornago (1400-1478)
, Johannes Ockeghem (1430-1497)
, Hayne van Ghizeghem (1445-1472)
, Anonymus
Mitwirkende:
La Capella Reial de Catalunya, Jordi Savall
2
CDs
CD (Compact Disc)
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
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- Geistliche & weltliche Musik zur Zeit König Alfons V.(1396-1458) aus dem Cancionero de Montecassino. Werke von Dufay, Cornago, Ockeghem, Ghizeghem & anonymen Meistern.
- Künstler: La Capella Reial de Catalunya, Jordi Savall
- Label: AliaVox, DDD, 96-98
- Erscheinungstermin: 20.4.2005
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Alfons V. ist zwanzig Jahre alt, als er 1416 den Thron von Aragonien besteigt. Zwanzig Jahre und viele Illusionen für eine Herrschaft inmitten einer wirtschaftlichen, politischen und sozialen Krise. Sein eigener Vater, Ferdinand de Antequera, hatte das Königreich erst vier Jahre zuvor erhalten, als der letzte Nachkomme der katalanischen Dynastie, Martin der Mensch, starb und inmitten von erbitterten Nachfolgestreitigkeiten, die im Kompromiss von Caspe gipfelten.
Nur wenige Monate reichten aus, um die besonderen Talente von Ferdinand und seinem Sohn Alfonso zu erkennen. Beide setzten ihre ganze Energie dafür ein, die katalanisch-aragonesische Präsenz im Mittelmeerraum zu stärken, und gleich zu Beginn ihrer Herrschaft und nach kostspieligen Feldzügen, die die schwachen Ressourcen der Krone untergruben, sicherten sich die Könige von Aragon eine scheinbar dauerhafte Kontrolle über Korsika, Sardinien und Sizilien. Die Wünsche des jungen Alfons V., der bald als "der Großmütige" bekannt wurde, gingen jedoch weit über eine bloße Präsenz hinaus, die den Handel förderte. Er übersah die wirtschaftliche Schwäche seiner Ländereien auf der Halbinsel und richtete seine Pläne auf die Schaffung eines echten "Imperiums" im Mittelmeerraum aus, auf eine Herrschaft, die der Krone von Aragonien eine neue und unverhoffte Präsenz im politischen Rahmen Europas verschaffen sollte.
Es war genau diese Anziehungskraft des Mittelmeers, die Alfonso zu einem Unternehmen trieb, das fernab jeder Logik zu liegen schien: die Eroberung Neapels. Nach einer zehnjährigen Militärkampagne betrat Alfons V. die Stadt am 6. Juni 1442 und zeigte von Anfang an, dass er nicht die Absichten eines "Kolonisators" hatte, sondern die eines Herrschers, der entschlossen war, seinen Hof in ein politisches und kulturelles Zentrum von europäischem Rang umzuwandeln. Alfonso ernannte Neapel zur Hauptstadt seiner Herrschaftsgebiete, als er sich der strategischen Lage der Stadt bewusst wurde, die ihm die perfekte Kontrolle über den westlichen Teil des Mittelmeers garantierte. Er bereitete sich also darauf vor, der Stadt eine Größe und internationale Projektion zu verleihen, die sie in ihrer langen Geschichte noch nie zuvor erlebt hatte.
Die wichtigsten Initiativen des neuen Königs, der nun Alfons I. von Neapel hieß, zeigen die grundlegende Bedeutung der Kultur bei der Umsetzung seines Projekts. Er gründete eine bedeutende Bibliothek, regte die Gründung der berühmten Accademia Pontiniana an und umgab sich mit einigen der bedeutendsten Intellektuellen seiner Zeit. Diese kulturelle Kraft sollte ihn auch nach der Thronbesteigung seines Sohnes Ferdinand I. überleben, der ein pragmatischeres Talent besaß und sich eher auf juristische oder militärische Unternehmungen verstand.
Der Ruhm des katalanisch-aragonesischen Hofes in Neapel war kurz. Sowohl Alfonso als auch sein Sohn verstanden es nicht, die endemischen wirtschaftlichen Probleme einer von Armut und erheblichen sozialen Ungleichgewichten geprägten Region zu verstehen oder zu lösen. In den drei Jahren nach Ferdinands Tod im Jahr 1494 wechselten sich verschiedene Monarchen auf dem neapolitanischen Thron ab, wobei sich die Ereignisse immer schneller überschlugen und den Interessen der Dynastie bald zum Verhängnis wurden. Nach einer verwirrenden Serie von Pakten und Verrat zwischen dem letzten König von Neapel, Friedrich I., seinem Sohn Ferdinand, dem französischen König Ludwig XII. und Ferdinand dem Katholischen von Spanien selbst, führte der Erbschaftsstreit 1502 zu einem offenen Krieg. Am 21. Dezember 1503 sicherten die spanischen Truppen unter dem Befehl des Gran Capitán Gonzalo Fernández de Córdoba durch die Schlacht am Garigliano der spanischen Krone eine dauerhafte Kontrolle über die fraglichen Gebiete, die mehr als zwei Jahrhunderte andauern sollte.
Die kurzen sechzig Jahre aragonischer Herrschaft waren jedoch keine Episode, sondern ein echtes kulturelles Ereignis. In einem rein politischen Sinne war Alfonsos Traum von einem "Mittelmeer-Königreich" zu Ende, bevor er begann (zum Zeitpunkt seines Todes war das "aragonische Reich" zwischen seinem Bruder Johann II., der die iberischen Ländereien erbte, und dem bereits erwähnten Ferdinand I., der nur den Titel des Königs von Neapel trug, aufgeteilt), aber seine Utopie hatte ihn zu einem Protagonisten in einer Epoche gemacht, die insbesondere in Italien soziale und künstlerische Veränderungen erlebte, die als echte kulturelle "Renaissance" angesehen wurden.
Alfonso wollte dieser unvergesslichen und außergewöhnlichen Etappe der europäischen Geschichte seinen persönlichen und einzigartigen Stempel aufdrücken, und im Großen und Ganzen gelang ihm das auch. Der Hof von Neapel hatte trotz seiner geografischen Nähe zu Städten wie Venedig, Florenz oder dem päpstlichen Rom selbst immer einen eigenen Charakter, der direkt seine Persönlichkeit widerspiegelte, und die Musik spielte in diesem Sinne immer eine grundlegende Rolle.
Seit seiner Jugend hatte Alfons V. die musikalische Betätigung an seinem Hof gefördert. Sänger und Organisten begleiteten ihn systematisch auf seinen zahlreichen Reisen, auch auf rein militärischen Missionen, und seine Königliche Kapelle erreichte dadurch eine bemerkenswerte Größe. Nach der Eroberung Neapels stellte der neue politische und geografische Rahmen die Kapelle, die traditionell Sänger und Organisten aus verschiedenen Teilen Europas umfasste, jedoch vor neue Herausforderungen. Statt nach Homogenität strebte Alfons der Großmütige das Gegenteil an und trat damit in die Fußstapfen seines eigenen Vaters: Gascogner, Burgunder, Franco-Flamen, Deutsche, Kastilier, Katalanen und Italiener unterschiedlichster Herkunft lebten schließlich zusammen und verwandelten die Kapelle in ein Spiegelbild der politischen Ideale des Monarchen. Die erste Folge war eine vollständige Sprachenvielfalt, die perfekt mit dem Hofstaat harmonierte, dessen König selbst die Sprache seiner Untertanen nie gut beherrschte und dessen Dialekte wenig Ähnlichkeit mit dem von den Literaten verwendeten Italienisch hatten. Alfons, der in Medina del Campo im Herzen Kastiliens geboren wurde, war auch nicht mit der "offiziellen" Sprache des Königreichs aufgewachsen, d. h. mit dem Katalanischen, das für Kanzlei- und Finanzdokumente verwendet wurde. So kam es, dass sich um ihn herum Katalanisch, Kastilisch, Französisch und Italienisch in ihren verschiedenen Varianten ganz natürlich vermischten, ganz zu schweigen natürlich vom Lateinischen.
Die zweite Folge - komplementär zur ersten - war die Aufführung eines erstaunlich heterogenen musikalischen Repertoires. Jede Sprache war mit Rhythmen, Formen, poetischen Genres und rhetorischen Mitteln verbunden, die tief mit den Traditionen jeder dieser Regionen Europas verbunden waren. Anstatt diese Unterschiede auszugleichen, scheint der Hof von Alfons dem Großmütigen sie noch verstärkt zu haben, und die Königliche Kapelle wurde zu einem Schmelztiegel verschiedener musikalischer Experimente.
Es kommt oft vor, dass uns der Zufall Dokumente beschert, die sich in Symbole für eine ganze Phase der Kulturgeschichte verwandeln können. Der Cancionero de Montecassino, der Gegenstand dieser Aufnahme ist, ist ein solcher Fall: ein grundlegendes historisches Dokument, das fast eine Metapher für das ist, was die Utopie Alfons des Großmütigen war. All seine Bestrebungen, seine Erfolge und sogar das spätere Schicksal seiner Bestrebungen scheinen sich in einem Manuskript zu verdichten, das auf eine an ein Wunder grenzende Weise zu uns gelangt ist.
Dieses Liederbuch wird derzeit in den Archiven der Abtei Montecassino aufbewahrt, die auf halbem Weg zwischen Rom und Neapel liegt und das Mutterhaus des Benediktinerordens ist. Es besteht aus etwa 100 Blättern, die den abschließenden Teil eines 436 Seiten umfassenden, mittelgroßen Bandes (20, 6 x 27, 6 cm) einnehmen, der auf dem relativ neuen Einband als "Manuskript N 871" bezeichnet wird. Ein kurzer Blick genügt, um uns die Wechselfälle dieses Dokuments zu verdeutlichen, das Gegenstand von Verstümmelungen und aufeinanderfolgenden Integrationen war und dessen lange Geschichte im Kloster des Heiligen Erzengels Michael in Gaeta beginnt. Wahrscheinlich wurde es dort von einem Mönch verfasst und bis zu seiner Überführung nach Montecassino aufbewahrt. Dort befand sich der Band Ende des 18. Jahrhunderts, wo er wie durch ein Wunder einen schrecklichen Bombenangriff überlebte, der die Abtei im Februar 1944 auslöschte. Diese unfallträchtige Geschichte reicht jedoch nicht aus, um den Eindruck der (auch grafischen) Heterogenität zu erklären, den dieser Text hinterlässt und der gerade einen seiner charakteristischen Aspekte darstellt. Diese Vielfalt, die durch die verschiedenen Tintenarten und Schreibstile unterstrichen wird, entsteht gerade aus seinem Inhalt und erhält ihre ganze Transzendenz, wenn man bedenkt, dass das Manuskript das Werk eines einzigen Kopisten ist.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass im 15. und 16. Jahrhundert das Repertoire der verschiedenen Musikkapellen in "Cancioneros" zusammengefasst wurde, die sich aus Werken verschiedener Autoren und manchmal auch aus sehr unterschiedlichen Stilen zusammensetzten. Diese Anthologien spiegeln die vielfältigen Aktivitäten dieser Ensembles wider, die normalerweise sowohl religiöse Dienste als auch die privaten Ansprüche der Adligen, von denen sie abhängig waren, erfüllen mussten. Dies erklärt, warum in diesen Bänden religiöse und weltliche Werke oft in gleicher Würde nebeneinander stehen. Dies ist der Fall beim Cancionero de Montecassino, der 141 Kompositionen - 64 religiöse und 77 weltliche - enthält, die ohne erkennbare Ordnung durcheinander gewürfelt sind: eine Verbindung von Sakralem und Irdischem, die an sich schon ein erstes Element der Vielfalt darstellt.
Doch jenseits dieser ersten Ebene verbergen sich andere, die nicht weniger bedeutsam sind. Am bemerkenswertesten ist natürlich die sprachliche Vielfalt der weltlichen Werke: Französisch, Italienisch, Kastilisch und Katalanisch verteilen sich auf diese poetischen Texte, ganz zu schweigen von sprachlichen Varianten wie den Katalanismen, die einige kastilische Texte kennzeichnen, und dem großzügigen Gebrauch verschiedener italienischer Dialekte. Und schließlich die stilistische Vielfalt. Der Cancionero de Montecassino umfasst Werke, die zwischen 1430 und 1480 entstanden sind, in einer besonders heiklen Übergangszeit in der europäischen Musikgeschichte. Traditionelle Formen wie das höfische Lied waren dabei, sich langsam zu wandeln, und viele populäre Formen fanden nach und nach Eingang in das kultische Repertoire. Dieses Manuskript ermöglicht es, diese Entwicklung aufmerksam zu verfolgen, allerdings aus einer Perspektive, die einmal mehr nicht so sehr die "Verschmelzung" der Genres anstrebt, sondern vielmehr ihr Nebeneinander. Äußerst raffinierte, französisch inspirierte höfische Lieder stehen neben unschuldigen Volksmelodien; symmetrische ländliche Tänze wechseln sich mit dichten polyphonen Strukturen ab. Der anonyme Transkribent scheint, sowohl wenn es sich um Werke bekannter Komponisten als auch um Kompositionen im volkstümlichen Stil handelt, mit einem besonderen Sinn für die Methode nach diesem spezifischen Nebeneinander der Stile zu suchen.
Die Werke, die zu diesem Doppelalbum gehören, sind ein perfektes Spiegelbild dieser Vielfalt an Optionen. Selbst im Hinblick auf das religiöse Repertoire bietet der Cancionero de Montecassino einen faszinierenden Querschnitt dessen, was in der Mitte des 15. Jahrhunderts in der Musikpraxis üblich war. Die Werke stehen hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Stundengebet und folgen der reinen benediktinischen Tradition. Obwohl die meisten von ihnen anonym überliefert sind, fehlt es nicht an Eigennamen, angefangen bei den wichtigsten Komponisten im Dienst des neapolitanischen Hofes (Gaffurio, Oriola, Cornago) bis hin zu den großen franko-flämischen Polyphonisten Ockeghem und Dufay. Letzterem verdanken wir zum Beispiel ein vierstimmiges Magnificat von großer Raffinesse, das ein ideales Beispiel für die um 1460 erreichte Perfektion des nordischen Kontrapunkts darstellt. Darüber hinaus zeigen die beiden Versionen des Hymnus Ave Maris Stella, die ihm vorausgehen, wie weit die Verehrung der Jungfrau Maria in unterschiedlichen Formen gehen konnte: Die erste, dreistimmige Hymne ist höchstwahrscheinlich ein Fremdprodukt am neapolitanischen Hof, so sehr ist sie mit klaren mittelalterlichen Resonanzen belastet, während die zweite, vierstimmige Hymne das Werk eines einheimischen Komponisten ist, der von dem Wunsch beseelt war, eine eindeutig harmonische Sensibilität mit einem subtilen polyphonen Gewebe in Einklang zu bringen (das Werk wird hier in einer Instrumentalversion präsentiert, wie es während der gesamten Renaissance üblich war).
Ein ganz anderes, volksnahes Klima offenbart sich in der fast homophonen Schreibweise der anonymen Antiphon Adoramus te, die für die Zeremonie der Kreuzverehrung am Karfreitag reserviert ist, und in Johannes Cornagos Hymne Patres nostri peccaverunt, die sicherlich für die Feierlichkeiten der Karwoche geschrieben wurde. Die bedeutendsten der zahlreichen Zeremonien, die der Hof von Neapel (in jenem Castel Nuovo, das Alfonso der Großmütige in den Formen wiederaufbauen ließ, die von da an das Profil der Stadt unauslöschlich prägen sollten) abhielt, standen in Verbindung mit der Passion. Höchstwahrscheinlich war es dieselbe Art von Veranstaltungen, die die Prozessionshymnen Cum autem venissem, die mit der Zeremonie der Absetzung in Verbindung stand, und Vexilla regis prodeunt hervorbrachte, die im Cancionero de Montecassino vorgestellt wurde, dem eine interessante polyphone Ausarbeitung der Anrufung Miserere nostri Domine voranging. In beiden Fällen entspricht der Akkordstil und die Wahl klarer, symmetrischer Melodielinien dem Wunsch, sich nicht von einem volkstümlichen Stil zu entfernen, der das Gegenteil von der raffinierten Komplexität eines Ockeghem oder Dufay ist.
Diese stilistische Vielfalt wird in der weltlichen Musik noch stärker hervorgehoben. Denken wir nur an die drei Lieder hier, drei sehr unterschiedliche Beispiele für ein prestigeträchtiges Genre, das zwischen dem 14. und dem 15. Das eine, De tous bien plaine, ist ein "reines" höfisches Lied, das hier in einer Instrumentalversion präsentiert wird, da dieses Manuskript keine Texte enthält. Puisque vos me lasses seulette hingegen ist ein "doppeltes" Lied, das aus der Überlagerung zweier verschiedener Gedichte entstanden ist, von denen eines polyphon behandelt und für hohe Stimmen reserviert ist, während das andere monodisch vorgetragen und für tiefe Stimmen bestimmt ist. Der genialste Fall ist jedoch der dritte, ein Werk von Dufay: In Je vos prie mon tres doulx ami sind die sich überlagernden poetischen Texte drei, jeder mit seiner spezifischen Persönlichkeit, in einer Entfaltung kompositorischer Raffinesse, die zu keinem Zeitpunkt vorgibt, den eminent volkstümlichen Charakter eines Teils des verwendeten melodischen Materials in den Schatten zu stellen.
Die Tendenz zur Einfachheit herrscht in den meisten Werken vor, die weniger direkt mit dem Genre des Liedes zu tun haben, wie etwa das brillante Fille Guillemin. Dies hindert den anonymen Kopisten dieses Chansonnier jedoch nicht daran, uns auch so ausgefeilte und komplexe Werke wie die Trauermotette Mort tu as navré zu hinterlassen, die Ockeghem anlässlich des Todes des großen Komponisten Gilles Binchois komponiert hatte. Die Deklamation des poetischen Textes auf Französisch überlagert sich hier mit einer kontrapunktischen Ausarbeitung eines anderen lateinischen Textes Miserere Pie Jhesu, wodurch eine dichte vierstimmige Polyphonie entsteht.
Ebenso zeichnen sich die Werke über italienische Texte durch eine ähnliche Vielfalt an Formen aus. So reicht die Bandbreite von den raffinierten Feinheiten von Piangendo chiamo über die heiteren Asymmetrien von O tempo bono bis hin zur volkstümlichen Atmosphäre von Correno multi cani, mit einer Neigung zu einer ländlichen Seite, die sich in den Titeln der Instrumentalstücke selbst widerspiegelt, wie im unvergesslichen Zappay lo campo (wörtlich übersetzt "Ich pflügte das Feld").
Der fast improvisierte Stil von Merce te chiamo, die raffinierten imitativen Effekte von Chiave, chiave und das fröhlich "goliardeske" Klima von Alle stamenge sind die verschiedenen Gesichter einer kaum dokumentierten Phase der Musikgeschichte, für die der Cancionero de Montecassino eine Quelle von größter Bedeutung darstellt. Unter all diesen Kurzformen darf man die kuriose Komplexität von Amor tu non me gabasti nicht übersehen, mit seiner ausgefeilten vierstimmigen imitativen Schreibweise und seinen eleganten rhetorischen Mitteln, die allesamt im Dienste eines besonders leichten Textes stehen. Es handelt sich um eine Barzelletta (d. h. einen "Witz"), eine poetisch-musikalische Form, die im Italien des 15. Jahrhunderts sehr häufig vorkam und hier den verspielten Tonfall eines solchen annimmt, der der "kultigen" polyphonen Tradition selbst ihre Transzendenz nimmt.
Schließlich die Stücke iberischen Ursprungs. Sie sind es zweifellos, denen es gelingt, die Bedeutung dieses Dokuments als historisches und kulturelles Zeugnis am genauesten zu veranschaulichen. Die komplexeste der in dieser Auswahl enthaltenen Kompositionen ist das Lied Qu'es mi vida preguntais von Cornago, ein ursprünglich dreistimmiges Werk, das hier in der Version präsentiert wird, die Ockeghem (wahrscheinlich während seines Aufenthalts in Spanien im Jahr 1469) anfertigte, wobei er sich an die ursprüngliche Handschrift hielt und lediglich eine vierte Stimme im Bass hinzufügte. Die Bescheidenheit, mit der sich Ockeghem - zweifellos der größte Komponist seiner Zeit - dem Werk Cornagos näherte, der damals am katalanisch-aragonesischen Hof in Neapel hoch geschätzt wurde, führt zu einem Ergebnis, das spanische und franko-flämische Elemente in einem Werk von ungewöhnlicher stilistischer Subtilität vereint.
Die beiden anderen Kompositionen mit spanischen Texten sind in einem anderen Tonfall gehalten, aber nicht weniger bedeutsam. Die eine, Viva viva Rey Ferrando, wurde geschrieben, um den Ruhm von Ferdinand I. zu feiern, vielleicht anlässlich seiner Krönung oder, was wahrscheinlicher ist, nach seinem Sieg über den Baronenaufstand im Jahr 1461. Hier werden die militärischen und amourösen Erfolge des Sohnes von Alfons dem Großmütigen gemeinsam gefeiert, und zwar in einer festlichen und feierlichen Atmosphäre. Das andere Stück, Dindirindin, basiert auf einem Text, der von der titelgebenden Onomatopöie geprägt ist, und ist ein maximales Emblem für ein Repertoire, das sich im Mittelmeerraum zu bewegen schien, ohne geografische Entfernungen und Sprachbarrieren zu beachten. Das Stück ist in drei verschiedenen Versionen erhalten, die chronologisch eng beieinander liegen: eine dreistimmige Version, die im Cancionero de Montecassino enthalten ist, eine vierstimmige Version, die im Cancionero de Palacio enthalten ist, und eine monodische Version, die in einem französischen Manuskript aus dem späten fünfzehnten Jahrhundert erhalten ist. In allen drei Fällen vermischt der Text mit vollkommener Natürlichkeit verschiedene Sprachen, wobei die einigende Achse die ständige Präsenz der katalanisch-provenzalischen Sprache ist.
Dies ist zweifellos ein würdiger Abschluss für eine Anthologie, die uns über zwei Stunden lang in die "Renaissance" entführt, die Alfonso der Großmütige von seinem neapolitanischen Hof aus aufbauen wollte. Ein Abschluss, der uns an die immensen Unterschiede erinnert, die diese utopischen Projekte von jener anderen Renaissance trennten, die zur gleichen Zeit an den benachbarten römischen und florentinischen Höfen entstand. Das Florenz Lorenzos des Prächtigen verfolgte das Ideal der ästhetischen Perfektion und intellektuellen Erhebung, indem es das Beispiel der griechisch-lateinischen Antike betrachtete; das Neapel Alfonsos und Ferdinands fand seine Identitätsmerkmale im Nebeneinander unterschiedlicher geografischer und kultureller Einflüsse. Die Iberische Halbinsel war schon immer eine Kreuzung von Kulturen gewesen, und es ist daher völlig logisch, dass die katalanisch-aragonesischen Könige, als sie mit einem Italien mit einer so unterschiedlichen historischen Vergangenheit in Kontakt traten, versuchten, das zu bekräftigen, was seit jeher das Unterscheidungsmerkmal ihrer Kultur gewesen war.
In diesem Sinne wurde das Vermächtnis des katalanisch-aragonesischen Hofes in Neapel schließlich schnell (sowohl im kulturellen als auch im politischen Bereich) von anderen Mächten absorbiert. Ein kleines Detail, das sich durch den gesamten Cancionero de Montecassino zieht, lässt uns jedoch vermuten, dass ein Element konstant geblieben ist, das wahrscheinlich gerade durch den Kontakt der beiden Kulturen genährt wurde. Es handelt sich um ein Phänomen von scheinbar geringer Bedeutung, das jedoch die Sensibilität, die zur Schaffung eines so heterogenen Repertoires geführt hat, kennzeichnen kann: die ständige Präsenz der "Kadenz in der unteren Terz", d. h. jener besonderen melodischen Phrase, die in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts üblicherweise verwendet wurde, um die Verse mit einer Wendung des Typs Do-Si-Si-La-Do abzuschließen. Von der Andacht des anfänglichen Adoramus te bis hin zu den brillanten Versionen, einschließlich Amor tu non me gabasti und Viva viva Rey Ferrando, zieht sich diese besondere Kadenz durch die gesamte Aufnahme und ignoriert alle stilistischen oder sprachlichen Unterschiede.
Die Verbindung, die um 1480 zu dieser traditionellen Formel bestand, bedeutete nicht nur, dass man sich ständig mit der franko-flämischen Tradition und dem Repertoire von Männern wie Dufay befasste. Es bedeutete auch noch etwas anderes: den Willen, Kompositionsprobleme in einem streng melodischen Schlüssel zu lösen, indem man - selbst in den kunstvollsten Stücken - nach formalen Lösungen suchte, die dem, was später als "harmonische Sensibilität" bezeichnet wurde, fremd waren. Und es ist unmöglich, hier nicht den Einfluss jener monodischen Tradition zu erkennen, in der sich Neapolitaner und Katalanen traditionell so sehr auszeichneten, dass sie ihre jeweiligen Volkslieder in Schätze verwandelten, die zu den am meisten geschätzten beider Kulturen gehörten. Die Vorliebe für melodischen Ausdruck und den anonymen Ausdruck eines kollektiven Gefühls konnte ein verbindendes Element sein, das soziale, geografische und kulturelle Barrieren zu überwinden vermochte, und der Cancionero de Montecassino beweist dies in vielerlei Hinsicht.
Nur wenige Monate reichten aus, um die besonderen Talente von Ferdinand und seinem Sohn Alfonso zu erkennen. Beide setzten ihre ganze Energie dafür ein, die katalanisch-aragonesische Präsenz im Mittelmeerraum zu stärken, und gleich zu Beginn ihrer Herrschaft und nach kostspieligen Feldzügen, die die schwachen Ressourcen der Krone untergruben, sicherten sich die Könige von Aragon eine scheinbar dauerhafte Kontrolle über Korsika, Sardinien und Sizilien. Die Wünsche des jungen Alfons V., der bald als "der Großmütige" bekannt wurde, gingen jedoch weit über eine bloße Präsenz hinaus, die den Handel förderte. Er übersah die wirtschaftliche Schwäche seiner Ländereien auf der Halbinsel und richtete seine Pläne auf die Schaffung eines echten "Imperiums" im Mittelmeerraum aus, auf eine Herrschaft, die der Krone von Aragonien eine neue und unverhoffte Präsenz im politischen Rahmen Europas verschaffen sollte.
Es war genau diese Anziehungskraft des Mittelmeers, die Alfonso zu einem Unternehmen trieb, das fernab jeder Logik zu liegen schien: die Eroberung Neapels. Nach einer zehnjährigen Militärkampagne betrat Alfons V. die Stadt am 6. Juni 1442 und zeigte von Anfang an, dass er nicht die Absichten eines "Kolonisators" hatte, sondern die eines Herrschers, der entschlossen war, seinen Hof in ein politisches und kulturelles Zentrum von europäischem Rang umzuwandeln. Alfonso ernannte Neapel zur Hauptstadt seiner Herrschaftsgebiete, als er sich der strategischen Lage der Stadt bewusst wurde, die ihm die perfekte Kontrolle über den westlichen Teil des Mittelmeers garantierte. Er bereitete sich also darauf vor, der Stadt eine Größe und internationale Projektion zu verleihen, die sie in ihrer langen Geschichte noch nie zuvor erlebt hatte.
Die wichtigsten Initiativen des neuen Königs, der nun Alfons I. von Neapel hieß, zeigen die grundlegende Bedeutung der Kultur bei der Umsetzung seines Projekts. Er gründete eine bedeutende Bibliothek, regte die Gründung der berühmten Accademia Pontiniana an und umgab sich mit einigen der bedeutendsten Intellektuellen seiner Zeit. Diese kulturelle Kraft sollte ihn auch nach der Thronbesteigung seines Sohnes Ferdinand I. überleben, der ein pragmatischeres Talent besaß und sich eher auf juristische oder militärische Unternehmungen verstand.
Der Ruhm des katalanisch-aragonesischen Hofes in Neapel war kurz. Sowohl Alfonso als auch sein Sohn verstanden es nicht, die endemischen wirtschaftlichen Probleme einer von Armut und erheblichen sozialen Ungleichgewichten geprägten Region zu verstehen oder zu lösen. In den drei Jahren nach Ferdinands Tod im Jahr 1494 wechselten sich verschiedene Monarchen auf dem neapolitanischen Thron ab, wobei sich die Ereignisse immer schneller überschlugen und den Interessen der Dynastie bald zum Verhängnis wurden. Nach einer verwirrenden Serie von Pakten und Verrat zwischen dem letzten König von Neapel, Friedrich I., seinem Sohn Ferdinand, dem französischen König Ludwig XII. und Ferdinand dem Katholischen von Spanien selbst, führte der Erbschaftsstreit 1502 zu einem offenen Krieg. Am 21. Dezember 1503 sicherten die spanischen Truppen unter dem Befehl des Gran Capitán Gonzalo Fernández de Córdoba durch die Schlacht am Garigliano der spanischen Krone eine dauerhafte Kontrolle über die fraglichen Gebiete, die mehr als zwei Jahrhunderte andauern sollte.
Die kurzen sechzig Jahre aragonischer Herrschaft waren jedoch keine Episode, sondern ein echtes kulturelles Ereignis. In einem rein politischen Sinne war Alfonsos Traum von einem "Mittelmeer-Königreich" zu Ende, bevor er begann (zum Zeitpunkt seines Todes war das "aragonische Reich" zwischen seinem Bruder Johann II., der die iberischen Ländereien erbte, und dem bereits erwähnten Ferdinand I., der nur den Titel des Königs von Neapel trug, aufgeteilt), aber seine Utopie hatte ihn zu einem Protagonisten in einer Epoche gemacht, die insbesondere in Italien soziale und künstlerische Veränderungen erlebte, die als echte kulturelle "Renaissance" angesehen wurden.
Alfonso wollte dieser unvergesslichen und außergewöhnlichen Etappe der europäischen Geschichte seinen persönlichen und einzigartigen Stempel aufdrücken, und im Großen und Ganzen gelang ihm das auch. Der Hof von Neapel hatte trotz seiner geografischen Nähe zu Städten wie Venedig, Florenz oder dem päpstlichen Rom selbst immer einen eigenen Charakter, der direkt seine Persönlichkeit widerspiegelte, und die Musik spielte in diesem Sinne immer eine grundlegende Rolle.
Seit seiner Jugend hatte Alfons V. die musikalische Betätigung an seinem Hof gefördert. Sänger und Organisten begleiteten ihn systematisch auf seinen zahlreichen Reisen, auch auf rein militärischen Missionen, und seine Königliche Kapelle erreichte dadurch eine bemerkenswerte Größe. Nach der Eroberung Neapels stellte der neue politische und geografische Rahmen die Kapelle, die traditionell Sänger und Organisten aus verschiedenen Teilen Europas umfasste, jedoch vor neue Herausforderungen. Statt nach Homogenität strebte Alfons der Großmütige das Gegenteil an und trat damit in die Fußstapfen seines eigenen Vaters: Gascogner, Burgunder, Franco-Flamen, Deutsche, Kastilier, Katalanen und Italiener unterschiedlichster Herkunft lebten schließlich zusammen und verwandelten die Kapelle in ein Spiegelbild der politischen Ideale des Monarchen. Die erste Folge war eine vollständige Sprachenvielfalt, die perfekt mit dem Hofstaat harmonierte, dessen König selbst die Sprache seiner Untertanen nie gut beherrschte und dessen Dialekte wenig Ähnlichkeit mit dem von den Literaten verwendeten Italienisch hatten. Alfons, der in Medina del Campo im Herzen Kastiliens geboren wurde, war auch nicht mit der "offiziellen" Sprache des Königreichs aufgewachsen, d. h. mit dem Katalanischen, das für Kanzlei- und Finanzdokumente verwendet wurde. So kam es, dass sich um ihn herum Katalanisch, Kastilisch, Französisch und Italienisch in ihren verschiedenen Varianten ganz natürlich vermischten, ganz zu schweigen natürlich vom Lateinischen.
Die zweite Folge - komplementär zur ersten - war die Aufführung eines erstaunlich heterogenen musikalischen Repertoires. Jede Sprache war mit Rhythmen, Formen, poetischen Genres und rhetorischen Mitteln verbunden, die tief mit den Traditionen jeder dieser Regionen Europas verbunden waren. Anstatt diese Unterschiede auszugleichen, scheint der Hof von Alfons dem Großmütigen sie noch verstärkt zu haben, und die Königliche Kapelle wurde zu einem Schmelztiegel verschiedener musikalischer Experimente.
Es kommt oft vor, dass uns der Zufall Dokumente beschert, die sich in Symbole für eine ganze Phase der Kulturgeschichte verwandeln können. Der Cancionero de Montecassino, der Gegenstand dieser Aufnahme ist, ist ein solcher Fall: ein grundlegendes historisches Dokument, das fast eine Metapher für das ist, was die Utopie Alfons des Großmütigen war. All seine Bestrebungen, seine Erfolge und sogar das spätere Schicksal seiner Bestrebungen scheinen sich in einem Manuskript zu verdichten, das auf eine an ein Wunder grenzende Weise zu uns gelangt ist.
Dieses Liederbuch wird derzeit in den Archiven der Abtei Montecassino aufbewahrt, die auf halbem Weg zwischen Rom und Neapel liegt und das Mutterhaus des Benediktinerordens ist. Es besteht aus etwa 100 Blättern, die den abschließenden Teil eines 436 Seiten umfassenden, mittelgroßen Bandes (20, 6 x 27, 6 cm) einnehmen, der auf dem relativ neuen Einband als "Manuskript N 871" bezeichnet wird. Ein kurzer Blick genügt, um uns die Wechselfälle dieses Dokuments zu verdeutlichen, das Gegenstand von Verstümmelungen und aufeinanderfolgenden Integrationen war und dessen lange Geschichte im Kloster des Heiligen Erzengels Michael in Gaeta beginnt. Wahrscheinlich wurde es dort von einem Mönch verfasst und bis zu seiner Überführung nach Montecassino aufbewahrt. Dort befand sich der Band Ende des 18. Jahrhunderts, wo er wie durch ein Wunder einen schrecklichen Bombenangriff überlebte, der die Abtei im Februar 1944 auslöschte. Diese unfallträchtige Geschichte reicht jedoch nicht aus, um den Eindruck der (auch grafischen) Heterogenität zu erklären, den dieser Text hinterlässt und der gerade einen seiner charakteristischen Aspekte darstellt. Diese Vielfalt, die durch die verschiedenen Tintenarten und Schreibstile unterstrichen wird, entsteht gerade aus seinem Inhalt und erhält ihre ganze Transzendenz, wenn man bedenkt, dass das Manuskript das Werk eines einzigen Kopisten ist.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass im 15. und 16. Jahrhundert das Repertoire der verschiedenen Musikkapellen in "Cancioneros" zusammengefasst wurde, die sich aus Werken verschiedener Autoren und manchmal auch aus sehr unterschiedlichen Stilen zusammensetzten. Diese Anthologien spiegeln die vielfältigen Aktivitäten dieser Ensembles wider, die normalerweise sowohl religiöse Dienste als auch die privaten Ansprüche der Adligen, von denen sie abhängig waren, erfüllen mussten. Dies erklärt, warum in diesen Bänden religiöse und weltliche Werke oft in gleicher Würde nebeneinander stehen. Dies ist der Fall beim Cancionero de Montecassino, der 141 Kompositionen - 64 religiöse und 77 weltliche - enthält, die ohne erkennbare Ordnung durcheinander gewürfelt sind: eine Verbindung von Sakralem und Irdischem, die an sich schon ein erstes Element der Vielfalt darstellt.
Doch jenseits dieser ersten Ebene verbergen sich andere, die nicht weniger bedeutsam sind. Am bemerkenswertesten ist natürlich die sprachliche Vielfalt der weltlichen Werke: Französisch, Italienisch, Kastilisch und Katalanisch verteilen sich auf diese poetischen Texte, ganz zu schweigen von sprachlichen Varianten wie den Katalanismen, die einige kastilische Texte kennzeichnen, und dem großzügigen Gebrauch verschiedener italienischer Dialekte. Und schließlich die stilistische Vielfalt. Der Cancionero de Montecassino umfasst Werke, die zwischen 1430 und 1480 entstanden sind, in einer besonders heiklen Übergangszeit in der europäischen Musikgeschichte. Traditionelle Formen wie das höfische Lied waren dabei, sich langsam zu wandeln, und viele populäre Formen fanden nach und nach Eingang in das kultische Repertoire. Dieses Manuskript ermöglicht es, diese Entwicklung aufmerksam zu verfolgen, allerdings aus einer Perspektive, die einmal mehr nicht so sehr die "Verschmelzung" der Genres anstrebt, sondern vielmehr ihr Nebeneinander. Äußerst raffinierte, französisch inspirierte höfische Lieder stehen neben unschuldigen Volksmelodien; symmetrische ländliche Tänze wechseln sich mit dichten polyphonen Strukturen ab. Der anonyme Transkribent scheint, sowohl wenn es sich um Werke bekannter Komponisten als auch um Kompositionen im volkstümlichen Stil handelt, mit einem besonderen Sinn für die Methode nach diesem spezifischen Nebeneinander der Stile zu suchen.
Die Werke, die zu diesem Doppelalbum gehören, sind ein perfektes Spiegelbild dieser Vielfalt an Optionen. Selbst im Hinblick auf das religiöse Repertoire bietet der Cancionero de Montecassino einen faszinierenden Querschnitt dessen, was in der Mitte des 15. Jahrhunderts in der Musikpraxis üblich war. Die Werke stehen hauptsächlich im Zusammenhang mit dem Stundengebet und folgen der reinen benediktinischen Tradition. Obwohl die meisten von ihnen anonym überliefert sind, fehlt es nicht an Eigennamen, angefangen bei den wichtigsten Komponisten im Dienst des neapolitanischen Hofes (Gaffurio, Oriola, Cornago) bis hin zu den großen franko-flämischen Polyphonisten Ockeghem und Dufay. Letzterem verdanken wir zum Beispiel ein vierstimmiges Magnificat von großer Raffinesse, das ein ideales Beispiel für die um 1460 erreichte Perfektion des nordischen Kontrapunkts darstellt. Darüber hinaus zeigen die beiden Versionen des Hymnus Ave Maris Stella, die ihm vorausgehen, wie weit die Verehrung der Jungfrau Maria in unterschiedlichen Formen gehen konnte: Die erste, dreistimmige Hymne ist höchstwahrscheinlich ein Fremdprodukt am neapolitanischen Hof, so sehr ist sie mit klaren mittelalterlichen Resonanzen belastet, während die zweite, vierstimmige Hymne das Werk eines einheimischen Komponisten ist, der von dem Wunsch beseelt war, eine eindeutig harmonische Sensibilität mit einem subtilen polyphonen Gewebe in Einklang zu bringen (das Werk wird hier in einer Instrumentalversion präsentiert, wie es während der gesamten Renaissance üblich war).
Ein ganz anderes, volksnahes Klima offenbart sich in der fast homophonen Schreibweise der anonymen Antiphon Adoramus te, die für die Zeremonie der Kreuzverehrung am Karfreitag reserviert ist, und in Johannes Cornagos Hymne Patres nostri peccaverunt, die sicherlich für die Feierlichkeiten der Karwoche geschrieben wurde. Die bedeutendsten der zahlreichen Zeremonien, die der Hof von Neapel (in jenem Castel Nuovo, das Alfonso der Großmütige in den Formen wiederaufbauen ließ, die von da an das Profil der Stadt unauslöschlich prägen sollten) abhielt, standen in Verbindung mit der Passion. Höchstwahrscheinlich war es dieselbe Art von Veranstaltungen, die die Prozessionshymnen Cum autem venissem, die mit der Zeremonie der Absetzung in Verbindung stand, und Vexilla regis prodeunt hervorbrachte, die im Cancionero de Montecassino vorgestellt wurde, dem eine interessante polyphone Ausarbeitung der Anrufung Miserere nostri Domine voranging. In beiden Fällen entspricht der Akkordstil und die Wahl klarer, symmetrischer Melodielinien dem Wunsch, sich nicht von einem volkstümlichen Stil zu entfernen, der das Gegenteil von der raffinierten Komplexität eines Ockeghem oder Dufay ist.
Diese stilistische Vielfalt wird in der weltlichen Musik noch stärker hervorgehoben. Denken wir nur an die drei Lieder hier, drei sehr unterschiedliche Beispiele für ein prestigeträchtiges Genre, das zwischen dem 14. und dem 15. Das eine, De tous bien plaine, ist ein "reines" höfisches Lied, das hier in einer Instrumentalversion präsentiert wird, da dieses Manuskript keine Texte enthält. Puisque vos me lasses seulette hingegen ist ein "doppeltes" Lied, das aus der Überlagerung zweier verschiedener Gedichte entstanden ist, von denen eines polyphon behandelt und für hohe Stimmen reserviert ist, während das andere monodisch vorgetragen und für tiefe Stimmen bestimmt ist. Der genialste Fall ist jedoch der dritte, ein Werk von Dufay: In Je vos prie mon tres doulx ami sind die sich überlagernden poetischen Texte drei, jeder mit seiner spezifischen Persönlichkeit, in einer Entfaltung kompositorischer Raffinesse, die zu keinem Zeitpunkt vorgibt, den eminent volkstümlichen Charakter eines Teils des verwendeten melodischen Materials in den Schatten zu stellen.
Die Tendenz zur Einfachheit herrscht in den meisten Werken vor, die weniger direkt mit dem Genre des Liedes zu tun haben, wie etwa das brillante Fille Guillemin. Dies hindert den anonymen Kopisten dieses Chansonnier jedoch nicht daran, uns auch so ausgefeilte und komplexe Werke wie die Trauermotette Mort tu as navré zu hinterlassen, die Ockeghem anlässlich des Todes des großen Komponisten Gilles Binchois komponiert hatte. Die Deklamation des poetischen Textes auf Französisch überlagert sich hier mit einer kontrapunktischen Ausarbeitung eines anderen lateinischen Textes Miserere Pie Jhesu, wodurch eine dichte vierstimmige Polyphonie entsteht.
Ebenso zeichnen sich die Werke über italienische Texte durch eine ähnliche Vielfalt an Formen aus. So reicht die Bandbreite von den raffinierten Feinheiten von Piangendo chiamo über die heiteren Asymmetrien von O tempo bono bis hin zur volkstümlichen Atmosphäre von Correno multi cani, mit einer Neigung zu einer ländlichen Seite, die sich in den Titeln der Instrumentalstücke selbst widerspiegelt, wie im unvergesslichen Zappay lo campo (wörtlich übersetzt "Ich pflügte das Feld").
Der fast improvisierte Stil von Merce te chiamo, die raffinierten imitativen Effekte von Chiave, chiave und das fröhlich "goliardeske" Klima von Alle stamenge sind die verschiedenen Gesichter einer kaum dokumentierten Phase der Musikgeschichte, für die der Cancionero de Montecassino eine Quelle von größter Bedeutung darstellt. Unter all diesen Kurzformen darf man die kuriose Komplexität von Amor tu non me gabasti nicht übersehen, mit seiner ausgefeilten vierstimmigen imitativen Schreibweise und seinen eleganten rhetorischen Mitteln, die allesamt im Dienste eines besonders leichten Textes stehen. Es handelt sich um eine Barzelletta (d. h. einen "Witz"), eine poetisch-musikalische Form, die im Italien des 15. Jahrhunderts sehr häufig vorkam und hier den verspielten Tonfall eines solchen annimmt, der der "kultigen" polyphonen Tradition selbst ihre Transzendenz nimmt.
Schließlich die Stücke iberischen Ursprungs. Sie sind es zweifellos, denen es gelingt, die Bedeutung dieses Dokuments als historisches und kulturelles Zeugnis am genauesten zu veranschaulichen. Die komplexeste der in dieser Auswahl enthaltenen Kompositionen ist das Lied Qu'es mi vida preguntais von Cornago, ein ursprünglich dreistimmiges Werk, das hier in der Version präsentiert wird, die Ockeghem (wahrscheinlich während seines Aufenthalts in Spanien im Jahr 1469) anfertigte, wobei er sich an die ursprüngliche Handschrift hielt und lediglich eine vierte Stimme im Bass hinzufügte. Die Bescheidenheit, mit der sich Ockeghem - zweifellos der größte Komponist seiner Zeit - dem Werk Cornagos näherte, der damals am katalanisch-aragonesischen Hof in Neapel hoch geschätzt wurde, führt zu einem Ergebnis, das spanische und franko-flämische Elemente in einem Werk von ungewöhnlicher stilistischer Subtilität vereint.
Die beiden anderen Kompositionen mit spanischen Texten sind in einem anderen Tonfall gehalten, aber nicht weniger bedeutsam. Die eine, Viva viva Rey Ferrando, wurde geschrieben, um den Ruhm von Ferdinand I. zu feiern, vielleicht anlässlich seiner Krönung oder, was wahrscheinlicher ist, nach seinem Sieg über den Baronenaufstand im Jahr 1461. Hier werden die militärischen und amourösen Erfolge des Sohnes von Alfons dem Großmütigen gemeinsam gefeiert, und zwar in einer festlichen und feierlichen Atmosphäre. Das andere Stück, Dindirindin, basiert auf einem Text, der von der titelgebenden Onomatopöie geprägt ist, und ist ein maximales Emblem für ein Repertoire, das sich im Mittelmeerraum zu bewegen schien, ohne geografische Entfernungen und Sprachbarrieren zu beachten. Das Stück ist in drei verschiedenen Versionen erhalten, die chronologisch eng beieinander liegen: eine dreistimmige Version, die im Cancionero de Montecassino enthalten ist, eine vierstimmige Version, die im Cancionero de Palacio enthalten ist, und eine monodische Version, die in einem französischen Manuskript aus dem späten fünfzehnten Jahrhundert erhalten ist. In allen drei Fällen vermischt der Text mit vollkommener Natürlichkeit verschiedene Sprachen, wobei die einigende Achse die ständige Präsenz der katalanisch-provenzalischen Sprache ist.
Dies ist zweifellos ein würdiger Abschluss für eine Anthologie, die uns über zwei Stunden lang in die "Renaissance" entführt, die Alfonso der Großmütige von seinem neapolitanischen Hof aus aufbauen wollte. Ein Abschluss, der uns an die immensen Unterschiede erinnert, die diese utopischen Projekte von jener anderen Renaissance trennten, die zur gleichen Zeit an den benachbarten römischen und florentinischen Höfen entstand. Das Florenz Lorenzos des Prächtigen verfolgte das Ideal der ästhetischen Perfektion und intellektuellen Erhebung, indem es das Beispiel der griechisch-lateinischen Antike betrachtete; das Neapel Alfonsos und Ferdinands fand seine Identitätsmerkmale im Nebeneinander unterschiedlicher geografischer und kultureller Einflüsse. Die Iberische Halbinsel war schon immer eine Kreuzung von Kulturen gewesen, und es ist daher völlig logisch, dass die katalanisch-aragonesischen Könige, als sie mit einem Italien mit einer so unterschiedlichen historischen Vergangenheit in Kontakt traten, versuchten, das zu bekräftigen, was seit jeher das Unterscheidungsmerkmal ihrer Kultur gewesen war.
In diesem Sinne wurde das Vermächtnis des katalanisch-aragonesischen Hofes in Neapel schließlich schnell (sowohl im kulturellen als auch im politischen Bereich) von anderen Mächten absorbiert. Ein kleines Detail, das sich durch den gesamten Cancionero de Montecassino zieht, lässt uns jedoch vermuten, dass ein Element konstant geblieben ist, das wahrscheinlich gerade durch den Kontakt der beiden Kulturen genährt wurde. Es handelt sich um ein Phänomen von scheinbar geringer Bedeutung, das jedoch die Sensibilität, die zur Schaffung eines so heterogenen Repertoires geführt hat, kennzeichnen kann: die ständige Präsenz der "Kadenz in der unteren Terz", d. h. jener besonderen melodischen Phrase, die in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts üblicherweise verwendet wurde, um die Verse mit einer Wendung des Typs Do-Si-Si-La-Do abzuschließen. Von der Andacht des anfänglichen Adoramus te bis hin zu den brillanten Versionen, einschließlich Amor tu non me gabasti und Viva viva Rey Ferrando, zieht sich diese besondere Kadenz durch die gesamte Aufnahme und ignoriert alle stilistischen oder sprachlichen Unterschiede.
Die Verbindung, die um 1480 zu dieser traditionellen Formel bestand, bedeutete nicht nur, dass man sich ständig mit der franko-flämischen Tradition und dem Repertoire von Männern wie Dufay befasste. Es bedeutete auch noch etwas anderes: den Willen, Kompositionsprobleme in einem streng melodischen Schlüssel zu lösen, indem man - selbst in den kunstvollsten Stücken - nach formalen Lösungen suchte, die dem, was später als "harmonische Sensibilität" bezeichnet wurde, fremd waren. Und es ist unmöglich, hier nicht den Einfluss jener monodischen Tradition zu erkennen, in der sich Neapolitaner und Katalanen traditionell so sehr auszeichneten, dass sie ihre jeweiligen Volkslieder in Schätze verwandelten, die zu den am meisten geschätzten beider Kulturen gehörten. Die Vorliebe für melodischen Ausdruck und den anonymen Ausdruck eines kollektiven Gefühls konnte ein verbindendes Element sein, das soziale, geografische und kulturelle Barrieren zu überwinden vermochte, und der Cancionero de Montecassino beweist dies in vielerlei Hinsicht.
- Tracklisting
- Details
- Mitwirkende
Disk 1 von 2 (CD)
Adoramus te
- 1 Adoramus te Domine
- 2 Adoramus te Domine
- 3 Crecem tuam adoramus
- 4 Ecce enim propter lingnum
- 5 Adoramus te Domine
Ave maris stella
- 6 Ave maris stella
- 7 Sumens illud ave
- 8 Solve vincla reis
- 9 Monstra te esse matrem
- 10 Virgo singularis
- 11 Vitam praesta puram
- 12 Sit laus Deo Patri
- 13 Amen
- 14 Anonym: Ave maris stella
Veni sancte spiritus
- 15 Veni sancte spiritus
- 16 Veni pater pauperum
- 17 Consolatro optime
- 18 In labore requies
- 19 O lux beatissima
- 20 Sine tuo nomine
- 21 Lava quod est sordidum
- 22 Flecte, quod est rigidum
- 23 Du tuis fidelibus
- 24 Da virtutis meritum
- 25 Amen
Miserere nostri - Vexilla Regis
- 26 Miserere nostri
- 27 Vexilla regis prodeunt
- 28 Quo vulneratus in super
- 29 Impleta sunt quae concinit
- 30 Arbor decora et fulgida
- 31 Beata cujus brachiis
- 32 O crux ave, spes unica
- 33 Te summa Deus Trinitas
- 34 Miserere nostri. Amen
- 35 Anonym: Fantasia
Magnificat
- 36 Mganificat anima mea Dominum
- 37 Et exsultavit spiritus meus
- 38 Quia respexit humilitatem
- 39 Quia fecit mihi magna
- 40 Et misericordia ejus
- 41 Fecit potentiam in brachio suo
- 42 Deposuit potentes de sede
- 43 Esurientes implevit bonis
- 44 Suscepit Israel puerum suum
- 45 Sicut locutus est ad patres nostros
- 46 Gloria Patri et Filio
- 47 Sicut erat in principio. Amen
- 48 Johannes Cornago: Patres nostri peccaverunt
Cum autem venissem
- 49 Cum autem venissem ad locum
- 50 O dulcissime filie Sion
- 51 O vos qui transitis per viam
- 52 O nimis triste spectaculum
- 53 Cum portaretur ad sepulcrum
- 54 Cum vero venissem ad locum
- 55 Amen
Disk 2 von 2 (CD)
- 1 Anonym: Chiave, chiave
- 2 Anonym: Merce te chiamo
- 3 Anonym: La fille guillemin
- 4 Anonym: O tempo bono
- 5 Anonym: Zappay
- 6 Anonym: Piangendo chiamo
- 7 Anonym: Puisque vos me lasses seulete - Je ne vous amare Marioneta
- 8 Anonym: Alle stamenge
- 9 Anonym: Collinetto
- 10 Anonym: Amor tu non me gabasti
- 11 Guillaume Dufay: Je vos pri mon tres
- 12 Anonym: Correno multi cani
Mort tu as navré - Miserere pie Jhesu
- 13 Miserere pie Jesu
- 14 Mort tu as navré de ton dart
- 15 Retoricque, se Dieu me gard
- 16 En sa jonesse fut soudart
- 17 Anonym: La Spagna
- 18 Qu'es mi vida preguntais
- 19 Anonym: Viva viva Rey Reffando
- 20 Hayne van Ghizeghem: De tous biens plain
- 21 Anonym: Dindirindin